Wenn der böhmische Wind mächtig über die
Höhen pfeift, zieht man sich Hut und Mütze weit über die Ohren. Genau so
haben es auch die Häuser gemacht, die hüben und drüben zwischen
Dreisessel und Osser angesiedelt waren. Böhmerwaldhäuser gab es im
inneren Bayerischen wie im inneren Böhmischen Wald, in Bereichen also
mit extremen Schneelagen. Charakteristisch für diesen alten
Bauernhaustyp ist das steile, weit herabgezogene, gewöhnlich mit
Scharschindeln gedeckte Schopfwalmdach. Es deckt eine Blockbaustube und
aus Naturstein gemauerte Stallungen. Das Bauholz holten die Bauern aus
den umliegenden Wäldern, die Steine für die Mauern haben sie aus ihren
Äckern gelesen. Derzeit wird ein Böhmerwaldhaus, das bei Neureichenau in
der Nähe der Grenze abgetragen wurde, nach Monaten des Wiederaufbaus im
Freilichtmuseum Finsterau wieder hergestellt. Sein abgewittertes Holz,
die kleinen Fenster, das bescheidene Hausgartl auf der Südseite
berichten vom Leben im Böhmerwald in früherer Zeit.
Aber wer möchte noch in so einem Haus wohnen? Eine urtümliche dunkle
Rauchkuchl mit gemauertem Backofen und offenem Herd, im Herdwinkel der
Stube ein teils gekachelter, teils verputzter Sesselofen, zugige Kammern
unter dem Dach – das Leben auf den Höhen des Böhmerwald-Grenzkamms war
hart für Bauern, Holzhauer und Glasmacher.
Im Museum steht jede Tür offen, jeder Raum ist zugänglich, eine
Ausstellung informiert über Hausgeschichte und bäuerliches Leben.
Zwischen den kleinen und großen Höfen gibt es eine farbenfroh ausgemalte
hölzerne Kapelle mit einem großen geschnitzten Kruzifix. Auf den
granitenen Türstürzen sind Jahreszahlen zu lesen, die einmal für die
Ewigkeit eingehauen wurden: 1867 am Wohnhaus des Petzi-Hofs, 1775 über
der Haustür des Raidl-Hauses. In den Vitrinen sieht man Gläser und
„böhmische Kaffeehaferln“, in den Kommoden liegt baumwollene und leinene
Bett- und Leibwäsche fein gestapelt. Manchmal hängt noch ein Hauch von
Schmalzgebackenem in der Luft, weil an vielen Tagen für die Besucher
ausgezogene Küchel oder mürbe Strizel gebacken werden. Jeden Mittwoch
zieht der Duft von frischem Schwarzbrot durchs Museum, wenn die großen
Bauernbrotlaibe aus dem alten gewölbten Backofen beim Kapplhof geholt
werden.
Das Museum ist ein idealer Ausgangspunkt für Wanderungen zu den
Böhmerwaldhäusern, die noch in den Dörfern die Zeit überdauert haben.
Eines der am besten erhaltenen Häuser auf der tschechischen Seite des
Böhmerwald-Grenzkamms steht in Chalupy / Deutsch Chaluppen bei Stachy /
Stachau im Kreis Prachatitz. Man erreicht es über den vom Kraftverkehr
freigehaltenen Buchwalder Grenzübergang. Antigl / Antiglhof, Modrava /
Mader, Velký Radkov / Rogau und andere Orte der Šumava, wo noch
Böhmerwaldhäuser stehen, sind über die Wander- und Radwanderwege vom
Freilichtmuseum Finsterau aus gut erreichbar. Hier beginnt auch der
Jugendsteig, der direkt zur Fußgängergrenzpassage bei Bučina / Buchwald
führt. Am Museum stehen Imbissangebote, kostenlose Parkplätze und
Toiletten zur Verfügung. Im Museum gibt es ein altes Straßenwirtshaus
mit frischer bayerisch-böhmischer Küche, einen Schlechtwetterspielplatz,
Ausstellungen, Rundwege und Bauernhäuser, in deren Stuben und Kammern
die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, während auf den Weiden des
Museums Schafe und Rinder grasen.
Freilichtmuseum Finsterau, Museumsstraße 51, 94151 Finsterau, Tel.
+49(0)8557/9606-0,
www.freilichtmuseum.de
Museumswirtshaus Tel. +49(0)8557/377, täglich 9–18 Uhr (Oktober 9–16
Uhr)