Migration vor Ort – Anregungen für Projekte
Wisst ihr, wie viele eurer Mitschülerinnen und Mitschüler Eltern oder Großeltern haben, die in einem anderen Land geboren wurden? Habt Ihr vielleicht selbst, eure ursprüngliche Heimat verlassen seid nach Deutschland gekommen?
Laut Statistik haben knapp 28 % der Schülerinnen und Schüler in der Bundesrepublik heute einen Migrationshintergrund. Darunter versteht man Schülerinnen und Schüler oder deren Eltern, die nach 1949 nach Deutschland eingewandert sind oder nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen oder eingebürgert wurden. Natürlich kann man noch weiter in der Geschichte zurückgreifen, so sind zum Beispiel nach dem zweiten Weltkrieg 12 bis 14 Millionen von Menschen aus Mittel- und Osteuropa geflohen oder vertrieben worden. Im 18. Jahrhundert ließen sich beispielsweise Salzburger Protestanten in Bayern nieder oder im 17. Jahrhundert vertriebene Hugenotten. Schon immer gab es Wanderungsbewegungen, Menschen wanderten aus oder ließen sich nieder - im Gepäck immer auch ein Stück ihrer Kultur, die das Land bereicherte. Heute leben wir in einer bunten, multikulturellen Gesellschaft. Das spiegelt sich etwa in der Sprache, in der Musik, in der Mode, dem Essen, in Literatur, Spielfilmen oder im Tanz wider.
Macht euch auf die Suche. Findet die Lebensgeschichten, die hinter den Zahlen stecken und entdeckt die konkreten Spuren, die immer noch die Geschichten erzählen.
Das Thema festlegen
Je nach Interesse eurer Klasse oder Projektgruppe solltet ihr das
Thema gezielt auswählen. Ihr könnt das Thema historisch greifen oder
euch auf die eigene Gegenwart konzentrieren.
- Wollt ihr die eigenen Familiengeschichten untersuchen? – Dann stehen eure Vorfahren, Großeltern, Eltern und schließlich auch ihr selbst im Mittelpunkt des Projektes.
- Ihr werdet dabei viel über eure eigene Geschichte lernen, Dinge entdecken, die euch vorher vielleicht gar nicht bewusst waren. Ihr seid persönlich betroffen und könnt eure eigenen Erfahrungen und Sichtweisen miteinbringen.
- Aber natürlich könnt ihr auch eure Schule oder euren Ort wählen. Hier müsst ihr vielleicht auf fremde Leute zugehen und sie für euer Projekt gewinnen. Das kann neue Perspektiven eröffnen.
- Vielleicht sucht ihr euch für das Projekt auch nur eine Familiengeschichte oder einen bestimmten Ort aus – das könnte beispielsweise eine bekannte Persönlichkeit aus der Geschichte sein, die erste Pizzeria in der Stadt oder das Asylantenheim?
Diskutiert gemeinsam über Vor- und Nachteile der verschiedenen Möglichkeiten und schreibt am Ende auf, was der Gegenstand eures Projektes werden soll. Natürlich könnt ihr zu einem späteren Zeitpunkt das Thema noch einmal verändern, weil ihr feststellt, dass ihr es zu weit oder zu eng gefasst habt.
Fragestellungen entwickeln
Sammelt Fragen und Themenschwerpunkte, die euch besonders
interessieren und denen ihr bei dem Projekt nachgehen wollt. Aspekte
können dabei sein:
- Historische Entwicklungen
- Wirtschaftliche, politische, gesellschaftliche Situation im Heimatland und in Deutschland/Bayern zum Zeitpunkt der Aus-/Einwanderung
- Rechtliche Voraussetzungen, z.B. Einwanderungsgesetze, Asylrecht
- Familiäre Situation im Heimatland, in Deutschland/Bayern
- Motive für die Auswanderung
- Persönliche Erfahrungen bei der Ankunft, bei der Wohnungssuche, am Arbeitsplatz, in der Schule, mit Mitmenschen etc.
- Leben zwischen den Kulturen – Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Kulturen
- Erinnerungsstücke: Fotos, Dokumente, Gegenstände, die die Geschichte dokumentieren oder von besonderem emotionalem Wert sind.
Das Ziel definieren
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eure Ergebnisse zu präsentieren.
Hier drei Möglichkeiten:
Ein Zeitzeugenprojekt durchführen
Quasi in der Fortsetzung zum Internetportal „Kommen, gehen, bleiben.
Die Ankunft der Gastarbeiter in Bayern. Gleis 11“ könnt ihr ein
eigenes Zeitzeugenprojekt durchführen.
Zeitzeugeninterviews vermitteln ein spontanes, lebendiges Bild der
Vergangenheit und geben einen persönlichen Eindruck von erlebter
Geschichte. Allerdings muss man immer auch kritisch mit dieser
Quellengattung umgehen: Erinnerungen eines Zeitzeugen sind immer
subjektiv, können unvollständig und unausgewogen sein – sie haben
keinen umfassenden Wahrheitsanspruch. Aussagen müssen geprüft und
eingeordnet werden. Bei der Präsentation, z.B. auf einer eigenen
Homepage sollten deshalb immer auch Hintergrundtexte berücksichtig
werden, die helfen, das Zeitzeugeninterview kritisch einzuordnen.
Weitere Hinweise erhaltet ihr im
Merkblatt Zeitzeugeninterview (PDF: 0.5 MB)
Eine Ausstellung gestalten
Ausstellungen sind ein eigenes Medium, in dem über Text- und
Bildtafeln, Exponate, Inszenierungen oder Medienstationen die
Inhalte vermittelt werden.
Zum Beispiel: Stellt die Mitschüler/innen in eurer Klasse vor, die einen „Migrationshintergrund“ haben. Recherchiert die Geschichte der Familie:
- Vorstellung des ursprünglichen Heimatlandes
- Geschichte des ersten Familienmitglieds, das nach Bayern kam
- ausgewählte Porträts der nachfolgenden Generationen.
- Interviews/Porträts der Mitschülerin/des Mitschülers
- Präsentation eines einzigen Exponates pro Familiengeschichte: Geschichte des Exponates und Erläuterung, warum genau dieses Exponat ausgewählt wurde
Weitere Hinweise, die beim Erstellen einer Ausstellung zu bedenken
sind findet ihr im
Leitfaden (PDF: 1.5 MB)
Digitale Geschichten erzählen
Digitales Geschichtenerzählen heißt kreative Medienarbeit mit der
eigenen Biographie. Texte, Sprache, Bilder, Töne und Musik werden zu
kurzen multimedialen Beiträgen verbunden.
Im Rahmen der Bildungsprojekte des Bayerischen Rundfunks sind
zahlreiche digitale Geschichten entstanden, die Vorbild sein können
für ein eigenes Projekt:
http://www.br.de/unternehmen/inhalt/bildungsprojekte/mystory-digital-geschichten-100.html
Im Projekt „Talent im Land“ stellen beispielsweise junge Migranten
ihre Geschichten vor:
http://www.br.de/unternehmen/inhalt/bildungsprojekte/bildungsprojekte-mystory100.html
Der Bayerische Rundfunk bietet regelmäßig Fortbildungen und
Projektpartnerschaften an.
Kontakt:
Here's my story
Bayerischer Rundfunk
Bildungsprojekte / Stiftung Zuhören
80300 München
br.de/mystory,
mystory@br.de
Ansprechpartner im Haus der Bayerischen Geschichte
Gerne beraten und unterstützen wir euch im Rahmen unserer
Möglichkeiten bei eurem Projekt.
Eventuell lassen sich eure Ergebnisse auch auf unserer Internetseite
präsentieren. Nehmt Kontakt zu uns auf:
Dr. Wolfgang Reinicke
Haus der Bayerischen Geschichte
Zeuggasse 7
86150 Augsburg
Tel.: 0821 / 32 95 – 136
Fax: 0821 / 32 95 – 220
E-Mail: wolfgang.reinicke@hdbg.bayern.de