Adalet Günel
„Mein Herz schlägt immer für die Türkei. Aber wenn ich in der Türkei bin, will ich wieder nach München zurück, und wenn ich in München bin, will ich in die Türkei.“
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Adalet Günel wurde 1951 als Tochter eines Fliesenlegers in Istanbul geboren. 1960 entschied sich ihr Vater nach München zu gehen, um seine Familie zu Hause finanziell unterstützen zu können. Von seiner jüngeren Schwester, die bereits in Deutschland lebte, hatte er nur Gutes über das fremde Land gehört. 1969 folgten ihm Adalets Mutter und ihre Schwester nach Deutschland.
Die damals 18-jährige Adalet blieb in der Türkei und heiratete 1969 Hasan. Als ihr Mann kurz darauf zum Militärdienst eingezogen wurde, entschied sich Adalet, ebenfalls als „Gastarbeiterin“ nach Deutschland zu gehen. Nach der dafür vorgeschriebenen medizinischen Untersuchung in Istanbul trat sie die Reise mit dem im Zug an. Am 25. September 1971 kam sie in München am Gleis 11 an.
Zunächst arbeitete Adalet in der Nähe von Nürnberg einer Fabrik, die Plastiktüten herstellte. Als Schichtarbeiterin am Fließband verdiente sie bei einem 8-Stunden-Tag 400 DM im Monat. Adalet unterstützte von ihrem Lohn ihren Mann in der Türkei, dem sie jeden Monat Geld schickte.
Um in der Nähe ihrer Eltern zu sein und da auch ihr Mann nach München kam, wechselte Adalet in Absprache mit der Firma vor Beendigung ihres Einjahresvertrags 1972 zu Siemens nach München. Die Arbeit in der elektronischen Abteilung sagte ihr jedoch nicht zu, 1973 trat sie eine Stelle bei Agfa an. Hier war sie in der Endkontrolle bei der Fotoapparateproduktion eingesetzt.
1973 bekamen Adalet und Hasan ihren ersten Sohn. Sie zogen aus der Wohnung von Adalets Eltern in Harlaching aus, die zu wenig Platz bot. Die junge Familie bezog eine Einzimmerwohnung. Als 1975 das zweite Kind zur Welt kam, zog die Familie in eine größere Einzimmerwohnung in der Tegernseer Landstraße, nahe Adalets Arbeitsplatz, um.
Als ihre Eltern in die Türkei zurückkehrten, zog Adalet mit ihrer Familie in die Altbauwohnung der Eltern in die Nähe des Ostbahnhofs. Sie ließ die Wohnung auf eigene Kosten mit dem damals hohen Betrag von 10000 DM renovieren und musste daraufhin eine Mieterhöhung um das Doppelte akzeptieren, weil sie für die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung einen gültigen Mietvertrag vorlegen musste.
Als Agfa sein Werk in Giesing schloss, wurde Adalet mit einer geringen Abfindung entlassen. Sie arbeitete anschließend als Haushälterin in einem Privathaushalt in Grünwald, dann sechs Jahre lang in Teilzeit im Kaufhaus Hertie als Gardinenverkäuferin. Im Jahr 2002 machte sie sich mit einer eigenen Mode-Boutique „Exclusiv“ am Nockherberg selbstständig, war dann als Verkäuferin bei Kaufhof tätig (2005) und eröffnete 2011 ein eigenes Café im Münchner Westend.
Adalet wollte ursprünglich nur ein bis zwei Jahre in Deutschland bleiben und dann in die Türkei zurückkehren. Ihr Leben entwickelte sich jedoch anders. Das Geld, das sie in Deutschland verdienen kann, reicht nicht, um in der Türkei eine neue Existenz für die mittlerweile fünfköpfige Familie aufzubauen, zumal einer ihrer Söhne an einer chronischen Erkrankung leidet. Adalet schätzt ihre neue Heimat und wird mit ihrer Familie in München bleiben. Dennoch träumt sie oft von einer Rückkehr in die alte Heimat und reist alle drei Monate in die Türkei: „Mein Herz schlägt immer für die Türkei. Aber wenn ich in der Türkei bin, will ich wieder nach München zurück, und wenn ich in München bin, will ich in die Türkei.“