Previous Page  38 / 72 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 38 / 72 Next Page
Page Background

So genannte Rauschtafeln, wie sie in

den Wirtshäusern zur Belustigung der Gäste

aufgehängt wurden, führen die

unterschiedlichen Rauschzustände

und die damit verbundenen Kosten auf.

083

„Verzeichniß der verschiedenen Räusche

u. was jeder kostet“

Süddeutschland, um 1845 |

Druck/Papier, 36,3x28,4cm (R) |

Edith-Haberland-Wagner-Stiftung (

HW

486)

D

erWirth, welcher in seiner Stube die

Rauschtafel lieber aufhängt als ei-

nen braven Heiligen, ist ein lauer Christ,

bei welchem die Bauern leichtsinnig wer-

den, hocken bleiben und allzu schwer

trinken“, klagte der Heimatkundler Joseph

Schlicht (1832–1917) in seiner Schrift „Bay-

erisch Land und Bayerisch Volk“ aus dem

Jahr 1875. Bei der erwähnten „Rauschtafel“

handelt es sich um ein Druckwerk wie dem

hier gezeigten „Verzeichniß“, das in zwei

Spalten in aufsteigender Folge 28 unter-

schiedliche Begriffe für Rauschzustände

samt der dafür einzusetzenden Geldsumme

aufführt. Legt man für das 19. Jahrhundert

einen durchschnittlichen Bierpreis von

fünf bis sieben Kreuzer zugrunde, zeigt

sich schnell, dass das Rauschverzeichnis

weniger realistische Zustände abbildet als

vielmehr der Unterhaltung und Belustigung

der Gäste imWirtshaus dienen wollte. Al-

lein für das harmlos klingende „Räuscherl“

müssen demnach rund sieben Maß Bier

getrunken werden. Die mittlere Kategorie

„Sabel“, die einen Zustand beschreibt, bei

dem man schwankt, als hätte man einen

Säbel zwischen den Beinen, erfordert über

zehn Maß. Der Konsum von unvorstellba-

ren 25 Litern Bier führt dann zum „Sau-

rausch“, der in etwa so viel kostete, wie ein

einfacher bayerischer Soldat monatlich an

Sold erhielt.

Eingerahmt ist die Tabelle von sechs

Darstellungen vergnügten Trinkens. Über

allem thront der legendäre Bierkönig Gam-

brinus vor gewaltigen Fässern.Die Illustrati-

onen zu seiner Rechten umranken Hopfen-

dolden, die zu seiner LinkenWeinreben.Die

Folge übermäßigenTrinkens ist also sowohl

beim Bier wie beimWein der Rausch, wie

die drei wankenden Zecher in der unteren

Bildmitte unmissverständlich zeigen.

A.K.

Lit.:

Berlinger, Räusche; Schlicht, Land, S.411–426;

Stemplinger,Wir Altbayern, S.79–83

083

05 Von Viechrausch und Bierherz

225

Katalog