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Gartenzwerg mit Maßkrügen
Um 1900 | Gips, farbig gefasst, 76x30x32cm |
Oide Schuidl & Buidl − Dépôt alter Reklame-
Objekte v. Michael Josef Nagl, München
F
reundlich dreinblickende Gartenzwer-
ge mit roter Zipfelmütze und weißem
Rauschebart entstammen der bürgerlichen
Kultur der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun-
derts. Während die Zwergskulpturen in
barocken Schlossanlagen oftmals Anleihen
in der Mythologie und Fabelwelt nehmen,
orientieren sich die seit den 1890er-Jahren
in größerenAuflagen hergestellten Garten-
zwerge an Alltäglichem oder auch an den
„Hausmärchen“ der Brüder Grimm. Zu
den klassischenTypen, wie dem Zwerg mit
Schürze und Schubkarre oder mit Pfeife
undAngel, gesellten sich bald ausgefallene-
re Schöpfungen wie der Zwerg mit zwei,
drei überschäumenden Krügen in seinen
Händen. Gelegentlich liegt zusätzlich ein
umgefallener Krug, aus dem Bier rinnt, zu
seinen Füßen.Die oft überdimensionierten
Krüge waren in der Regel mit den zwei
prägnanten Gravuren „§11“ und „
HB
“ aus-
gestattet. § 11 bezieht sich auf den „Bier-
comment“, das Regelwerk studentischer
Verbindungen für ihre Zusammenkünfte
(vgl. Kat.-Nr. 084). Das
HB
-Zeichen des
Hofbräuhauses München verdeutlicht, dass
insbesondere dieses Bier für Genuss und
Ausgelassenheit stand.Vor allem Studenten-
verbindungen dürften an dem so gestalteten
Gartenzwerg Gefallen gefunden haben, der
Eigenschaften wieTrinkfestigkeit,Gesellig-
keit und Heimatverbundenheit vereinte.Als
Aufstellungsort der Gipsfigur kommen also
studentische Bierbuden infrage. Nachdem
Zwergfiguren seit der Wende zum 20. Jahr-
hundert vielfach alsWerbeträger eingesetzt
wurden,wird der „Bierzwerg“ wohl auch in
Wirtshäusern und Biergärten zumTrinken
aufgefordert haben.
M. J.N.
Lit.:
Bengen,Welt; Hartlaub, Gartenzwerg
085
Die Werbebotschaft der Gartenzwerge ist eindeutig:
Trinkt Münchner Hof bräu
HB
und trinkt –
gemäß §11 Biercomment – weiter!
05 Von Viechrausch und Bierherz
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