05 Von Viechrausch und Bierher
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as „baierisch Volk … sitzt tag und nacht bei
dem wein, schreit singt tanzt kart spilt“
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, be-
hauptete Johann Georg Turmair (1477–1535) in sei-
ner „Baierischen Chronik“. Aventinus, so die latini-
sierte Namensform des aus Abensberg stammenden
Geschichtsschreibers, charakterisierte damit die (Alt-)
Bayern am Übergang von Mittelalter zu Neuzeit nicht
nur als ausgesprochene Weintrinker, sondern prägte
auch das Klischee des vergnügungsfreudigen, trinkfesten
Bajuwaren, das sich später leicht auf den bierseligen
Bayern ummünzen ließ. Das prägnante Urteil lässt al-
lerdings dieTatsache in den Hintergrund treten, dass für
die unteren GesellschaftsschichtenWasser das Getränk
derWahl war.
Im Lauf des 17. und 18. Jahrhunderts löste das Bier
allmählich den Wein als bevorzugtes Genussmittel ab,
um mit Beginn des 19. Jahrhunderts unaufhaltsam auf
seine herausragende Stellung als landestypisches Nah-
rungsmittel und Massengetränk zuzusteuern.Während
sich nördlich des Mains ab etwa 1850 aufgrund des
vielfältigen Angebots alkoholische Getränke und al-
koholfreie Alternativen die Waage hielten, behauptete
sich der Gerstensaft in Bayern unangefochten in seiner
Ausnahmestellung. Der hohe Zuspruch, den das Bier
hier erfuhr, wurde jedoch auch kritisch gesehen. So
informierten um 1860 zahlreiche Amtsärzte in ihren an
die Kreisregierungen und an das Königlich-Bayerische
Statistische Bureau adressierten Physikatsberichten über
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Bier in Bayern