Storielle
Gustavo Pfatisch
Die Ladenräume gehören zu den elegantesten der ganzen Stadt.
Grüner Marmor, Onyx, Nussbaum im Erdgeschoss eines schönen
Jugendstilgebäudes; dazu schwere Leuchter aus Murano-Glas, ein
einziges achteckiges Tischlein und vier Stühle mit
Bordeauxlederpolsterung in dem weiten Raum. Hier wird Schokolade
verkauft. Vierzehn verschiedene Sorten, dazu erlesene Pralinen,
mit Zucker hauchdünn überzogene Trockenfrüchte, kandierte
Kastanien, aber auch achtzig verschiedene Salatini, wie die
pikanten Häppchen heißen. Der Ort solcherlei Leckereien in
Höchstform ist die Via Sacchi im Zentrum der piemontesischen
Metropole Turin, der Name des Ladens prangt in großen Lettern
über der Ladenfront: CONFETTERIA PASTICCERIA PFATISCH G.
Pfatisch? Das ist kein italienisch klingender Name, „G“ für
Gustavo aber schon. Wie es dazu kam? Der bayerische
Artillerie-Offizier Josef Pfatisch, 1813 in Altenerding geboren,
hatte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Kind
und Kegel in Fossano bei Turin niedergelassen. Einer seiner
Söhne, der 1887 geborene Gustavo, ergriff nun aber nicht, wie
man vermuten könnte, den Beruf des Offiziers, Beamten oder
Juristen – er wurde Konditor. Ein hoch angesehener Beruf in
einer Stadt, die großen Wert auf Stil, Eleganz und eine feine
Kaffeehauskultur legte. 1915 eröffnete Gustavo Pfatisch ein
eigenes Geschäft und begründete damit eine süße Tradition, die
unter seinem Namen bis heute gepflegt wird.
Text: Ralf Skoruppa