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Storielle
Eustachius Hartmann
Der Mann hob das Haupt und blickte um sich. Das würde nun sein
Schicksal sein. Zumindest für fünf lange Jahre. Dann ging es
ganz schnell. Die vom weiten Transport aus Süddeutschland noch
ganz benommenen Häftlinge werden im Hafen von Venedig
zusammengetrieben, aufgestellt und in Eisen geschlagen. Dann auf
die Galeere und der erste Peitschenhieb. Eustachius Hartmann aus
Augsburg sollte seine Heimat nie wieder sehen.
So oder so ähnlich könnte es geschehen sein, im Hafen Venedigs
an einem heißen Sommertag im Jahr 1573. Eustachius Hartmann war
am 11. April 1573, wie aus den im Augsburger Stadtarchiv
überlieferten Prozessakten hervorgeht, zu fünf Jahren
Ruderstrafe auf einer Galeere verurteilt worden. Wahrscheinlich
musste er seine Strafe in Venedig abbüßen, da zwischen Augsburg
und Venedig schon seit 1566 Verträge über den Handel mit
Sträflingen bestanden. Die Serenissima hatte großen Bedarf an
billigen Ruderkräften, auch weil der Kampf gegen das Osmanische
Reich zur See geführt wurde, und für Augsburg war die
Verurteilung auf die Galeere eine lukrative und praktische Art,
sich Straffälliger und Verbrecher zu entledigen.
Dabei hatte Eustachius Hartmann weder gemordet noch
gebrandschatzt. Der abgedankte Söldner hatte sich bloß
wiederholt verheiratet. Problematisch nur, dass die erste
Ehefrau in Augsburg noch nicht gestorben war. Auf Bigamie, die
in der Frühen Neuzeit als Hochverbrechen galt, standen schwere
Strafen. Weil Eustachius zudem als Wiederholungstäter galt, kam
für ihn die Galeerenstrafe in Frage. Dass seine Geständnisse
unter Folter zustande gekommen waren und er selbst das schlimme
Schicksal eines entwurzelten Söldners zu tragen hatte, wurde
freilich nicht berücksichtigt. Mildernde Umstände gab es in der
damaligen Rechtsprechung nicht.
Die Spur von Eustachius Hartmann verliert sich mit dem
Urteilsspruch. Wahrscheinlich ist er wie die meisten Sträflinge
auf der Galeere, sei es durch Krankheit, Unterernährung oder
Schiffbruch, ums Leben gekommen.
Text: Ralf Skoruppa