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Vierpassbecher
Nürnberg, 15. Jahrhundert | Ton,
reduzierend, klingend hart gebrannt,
H.18,5cm, Ø 15,7cm | Germanisches
Nationalmuseum, Nürnberg (Ke 2522)
U
nter den Trinkbechern des Spätmit-
telalters fallen Gefäße mit so ge-
nannter mehrpassförmiger Mündung ins
Auge, zu denen auch die vierpassförmigen
Becher zählen. Ein Verbreitungsschwer-
punkt liegt in Niedersachsen (ohne den
Küstenraum), Sachsen-Anhalt und Bran-
denburg, der zweite Schwerpunkt ist mit
Baden-Württemberg und Nordbayern zu
umschreiben, ein dritter in Tschechien,
im Böhmischen Becken und ausdünnend
über Mähren, mit Schwerpunkt Brno, bis
nachWien.
Mehrpassgefäße gibt es seit der Mitte des
13. Jahrhunderts. Sie weisen eine Vielzahl
regionaler Eigenheiten auf. Während im
fränkischen Gebiet allgemein eher ge-
drungene (König Typ 250–253) und be-
sonders hohe Formen (König Typ 260)
vorkommen, entwickelten die Nürnber-
ger Töpfer elegant geschwungene Gefä-
ße mit hohem Fußteil und ausladender
Schale (König Typ 280). Da manWein ge-
wöhnlich aus Gläsern trank und Bier ein
häufig konsumiertes Getränk war, kann
man davon ausgehen, dass die großen
Vierpassbecher, von denen elf Exemplare
amWeinmarkt 11 in Nürnberg, beim ehe
maligen Wirtshaus „Zum Wilden Mann“,
zutage kamen, als Bierbecher benutzt wur-
den. Man darf vermuten, dass sie auch in
Nürnberg hergestellt wurden. Die Bier-
becher werden bis zum Ende des 15. Jahr-
hunderts zunehmend eleganter, mit einer
in langer S-Linie gezogenen Kontur. Sie
bestehen meist aus weißem bis gelblich
weißem, fast durchweg fein geschlämmtem
Ton und sind sehr hart bis klingend hart
gebrannt. Fast alle sind mit stark ausgepräg-
ten horizontalen Riefen verziert.
Der hier gezeigte große Becher mit
Vierpassrand wurde bei einer 1951 erfolg-
ten Ausgrabung in der Söldnersgasse in
Nürnberg geborgen. Er ist klingend hart
reduzierend, das heißt unter Sauerstoff-
mangel gebrannt,woraus sich die gräuliche
Färbung ergibt.
T.S.
Lit.:
Brandl, Formen, S. 35,Abb. 13; König, Untersuchun-
gen; König, Mehrpasskeramik
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Aus großen Vierpassbechern,
wie sie im Spätmittelalter in Franken verbreitet waren,
trank man höchstwahrscheinlich Bier.
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bier in bayern