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Modell eines Festgespanns der Spaten-Brauerei
München, 2.Hälfte 20. Jahrhundert | Holz, Leder,Textil,
36x142x26cm | Spaten-Franziskaner Bräu, München
Stein befestigt war, mit einer Hand und
richtete sich damit auf. Der Steyrer Hans
begann mit einem Vier-Zentner-Block −
damals 224 Kilogramm. Bald schon war
er in der Lage, den Stein an einem leder-
ummantelten Haken nur mit dem rechten
Mittelfinger aufzuheben.
Ab den 1870er-Jahren trat Steyrer in
mehreren deutschen Städten auf. 1879
stellte er im Zirkus Herzog in München
einen Weltrekord auf: Der Überlieferung
nach hob er mit dem Mittelfinger einen
528 Pfund (= 264 Kilogramm) schweren
Stein. Heute kommt beim alljährlichen
Starkbierfest im Münchner Löwenbräu-
keller ein 508-Pfund-Block zum Einsatz,
der auf einen anderen Steyrer-Stein zu-
rückgeht, aber mit beiden Händen geho-
ben wird. In den 1880er-Jahren war der
„bayerische Herkules“ auch in Österreich,
Frankreich, Belgien und den Niederlan-
den unterwegs, von 1881 bis 1884 ließ er
sich in Amsterdam nieder und betrieb dort
ein Café und ein bayerisches Wirtshaus,
in dem Pschorr-Bier ausgeschenkt wurde.
In München betrieb Hans Steyrer ver-
schiedene Gaststätten – auch dies unter
Einsatz aller Kräfte: Er soll 40-Liter-Holz-
bierfässer nur mit Daumen und Zeigefinger
auf den Schanktisch gewuchtet haben. 1879
bewirtschaftete er erstmals eineWirtsbude
auf dem Oktoberfest. Das „Kraftbier“, das
er ausschenkte, kam von der Spaten-Brau-
erei. In seinen Wirtsbuden „Zum bayeri-
schen Herkules“ servierte er „Kraftwürstl“,
ließ eine „Athletenkapelle“ mit Hüten in
Form von Kugelgewichten auftreten und
stellte seine Steine und Hanteln zur Schau.
Es kursieren widersprüchliche Angaben
darüber, in welchem Jahr er am Eröffnungs-
tag mit Familie und Personal in einem reich
geschmückten Wagenzug samt Musikbe-
gleitung zur Wiesn gefahren ist. Die häu-
fig genannten Daten 1879 und 1887 sind
unglaubwürdig, weil Steyrer sein Gasthaus
in München-Obergiesing, von dem er nach
einhelliger Meinung abfuhr, erst seit 1890
innehatte. Die Polizei hielt den Zug bereits
beim „Weißen Bräuhaus“ in der Innen-
stadt auf.Weil er für seinen derart Aufsehen
erregenden Umzug keine Genehmigung
eingeholt hatte, wurde Steyrer zu einer
Geldstrafe von 100 Mark verurteilt. Ein un-
datierter Zeitungsartikel, der sich im Stadt-
archiv München erhalten hat, zitiert ihn
so: „Am Anfang vom neu’n Jahrhundert,
hab i mir denkt – fahrst du außi. I fahr g’wiß
nimma, Herr Oberamtsrichta.“ Demnach
hätte dieser erste Vorläufer des festlichen
Einzugs der Wiesnwirte im Jahr 1900
stattgefunden. Seit 1930 ist der Einzug der
Festgespanne der Wirte und der Münchner
Brauereien ein fester Programmpunkt des
Oktoberfestauftakts.
M.N.
Quellen:
Stadtarchiv München,
ZA
Personen 502/56
Lit.:
Dering/Eymold, Oktoberfest, S.105; Moser,
Hans Steyrer
07 Bierberühmtheiten und Bierschätze
303
Katalog