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bier in bayern
E
s war vielleicht die „Rohheit“ der nie-
derbayerischen Burschen, die Anlass
gab für diese bisher allein für Niederbayern
bekannteWirtshausordnung, die am 19. Ja-
nuar 1853 als „Außerordentliche Beilage“
zum „Intelligenz-Blatt von Niederbayern
Nro. 5“ veröffentlicht wurde. Diese Ord-
nung regelte in elf Punkten im Detail das
niederbayerische Wirtshausleben, von der
Polizeistunde und ihrer Befolgung bis zum
Führen des Fremdenbuchs, von verbote-
nem Glücksspiel bis zur Beantragung von
Tanzmusiken. Ein wesentlicher Teil der
Ordnung befasste sich jedoch mit Raufe-
reien, mit „größeren Wirtshausexcessen“,
die mit hohen Strafen belegt wurden. Die
Wirtshausordnung war die Konsequenz aus
einer Reihe vonVorfällen, die der Polizei-
bericht als „Rohheitsdelikte“ bezeichnete:
Oft trugen die ledigen Burschen ganzer
Dörfer blutige Kämpfe gegeneinander aus.
Kirchweihfeiern und Jahrmärkte boten
meist die einzige Vergnügungsmöglichkeit
für junge Leute. Es kam immer wieder zu
schweren Körperverletzungen bis hin zu
Todesfällen. Den jungen Burschen sei, so
der niederbayerische Regierungspräsident
1850, durch die Abschaffung der Prügel-
strafe „die Furcht vor der obrigkeitlichen
Strafgewalt“ abhandengekommen. Da die
körperliche Züchtigung aber im fortschritt-
lichen Bayern nicht mehr erlaubt war, griff
der Staat zu anderen Mitteln der Domesti-
zierung. Eine zentrale Rolle spielten dabei
dieWirte: Sie sollten ihr Hausrecht ausüben
und Raufereien im Keim ersticken.Wenn
alles nichts half, so drohten den rauflusti-
gen Burschen zunächst ein 14-tägiger Arrest
und dann ein Wirtshausverbot von einem
halben, bei einem zweiten Rückfall von
einem ganzen Jahr. Damit wurden ihnen
die Bühne und das Publikum für ihre Posi-
tionskämpfe entzogen.DasWirtshausverbot
stellte eine harte Strafe dar, kam es doch
einem Ausschluss aus dem sozialen Leben
gleich. Die Anzahl der gemeldeten Rauf-
händel ging nach Erlass der Wirtshausord-
nung merklich zurück.
M.K.
Lit.:
Krauss, Herrschaftspraxis
In Niederbayern versuchte man der
Wirtshausraufereien mithilfe einer
straf bewehrten Ordnung Herr zu werden.
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