04 Zwischen Biertisch und Kegelbahn
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Katalog
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Am Stammtisch herrschte
strenge Ordnung: Großbauern, Pfarrer
und Dorfhonoratioren saßen zusammen,
Kleinbauern und Taglöhner blieben
ebenfalls unter sich.
D
er Wirtshausbesuch war für die er-
wachsenen Männer fester Bestand-
teil des Daseins. Auch im oberbayerischen
Nassenhausen (Lkr. Fürstenfeldbruck)
war das Wirtshaus neben der Kirche der
wichtigste Treffpunkt im Dorf. Das Eibl-
Anwesen gehört zu den ältesten Häusern
in Nassenhausen. Der „Bierzapfler“ Ge-
org Eibl (1788–1866) bemühte sich im
erstenViertel des 19. Jahrhunderts um eine
Konzession für den Handel mit Brot und
um die Erlaubnis, ein Wirtshaus betrei-
ben zu dürfen. Das Bier bezog er von der
Schlossbrauerei Kaltenberg, das Weißbier
kam von der Brauerei in Mering.
Die heute noch im Familienbesitz be-
triebene Gaststätte wurde 1894 von Josef
Eibl (1868–1947) neu gebaut. Der Stamm-
tisch der gut situiertenVollbauern, meist in
unmittelbarer Nähe zum Stubenofen, war
das „Allerheiligste“ im Wirtshaus. Doch
auch die Kleinhäusler hatten ihren festen
Platz, der oft durch ein Tischzeichen ge-
kennzeichnet wurde, wie es auf der Foto-
grafie zu sehen ist.
Bei den „4 Mart’l“, die sich hier ablich-
ten ließen, handelt es sich um dieTaglöhner
Martin Schußmann (1868–1947) und Mar-
tin Trinkl (1869–1946), den Gütler Martin
Fischer (1833–1920) und den Besenbinder
MartinTrauner (1874–1957), also Mitglieder
der dörflichen Gesellschaft, die eher dem
unterbäuerlichen Bereich zuzuordnen sind.
„Die 4 Martl’l“ – Martin war im Dorf
ein häufig gewählterVorname, da die Pfarr-
kirche dem hl. Martin geweiht ist – haben
wohl extra für den Fotografen, der sich an
jenem 7. Oktober 1906, einem Sonntag, im
Dorf aufhielt, ihre Kartenrunde aufgrund
der besseren Lichtverhältnisse ins Freie ver-
legt. Im Sonntagsstaat, den Hut verwegen
auf dem Kopf, versehen mit den Insigni-
en bürgerlichen Wohlstands wie Uhrkette
und Zigarre, gönnte man sich vermutlich
nach dem Kirchgang einen Frühschop-
pen. Zu der – aufgrund der langen Belich-
tungszeiten statisch wirkenden – Karten-
runde gesellte sich auch der Wirt Josef Eibl
mit seinem Söhnchen. Kurzerhand wur-
de die Anschreibetafel (vgl. Kat.-Nr.063)
umgedreht, um darauf Ereignis und Datum
für die Ewigkeit festzuhalten. Ein einzel-
ner Maßkrug, ordentlich auf einem Bierfilzl
abgestellt, vervollständigt das Stillleben.
Um welches Kartenspiel es sich gehandelt
haben könnte, lässt sich nicht sagen. Die
wenigen Karten, die die Männer in Hän-
den halten, das fehlende Kleingeld, die
Aufzeichnungen auf der Schiefertafel in
der Mitte lassen an das beliebteWatten den-
ken.Und in Tirol und Südtirol heißt der
höchsteTrumpf imWatten, der Herz-König,
häufig Martl.
B.K.
Quelle:
Adressbuch Fürstenfeldbruck 1911
Lit.:
Drexler,Wirtshaus; Nassenhausen; freundlicher
Hinweis von Manfred Hausler, München
050
Stammtischgesellschaft in Nassenhausen
Nassenhausen, 1906 | Fotografie | Innozenz Trinkl