D
er Reformminister Maximilian von
Montgelas führte 1811 im König-
reich Bayern die altbayerische beziehungs-
weise Münchner Maß mit 1069 Kubik
zentimetern ein. Alle anderen Flüssigkeits-
maße, darunter die rund 100 fränkischen
und schwäbischen, wurden abgeschafft. Ab
den 1820er-Jahren verbreitete sich der neu
entwickelte, bedeckelte bayerische Stein-
zeugmaßkrug mit seiner eingezogenen
Lippe schnell im ganzen Königreich – und
mag durchaus seinenTeil zum Zusammen-
wachsen der verschiedenen Landesteile
beigetragen haben.
Vor einiger Zeit konnte ein Vorläufer-
gefäß des Maßkrugs identifiziert werden,
das im Geltungsbereich der zunächst re-
gionalen, später allgemein verbindlichen
„Münchner Maßkanne“ verwendet wor-
den war: Auf dem seit 1333 nachgewiese-
nenViehmarkt in Keferloh trank man Bier
aus rauen zylindrischen Maßkrügen. Diese
Bierkrüge wurden von Hafnern auf der
„Münchner Lehmzunge“ gefertigt, wie
sie sich in Grafing, Holzkirchen oder den
heutigen Münchner Stadtteilen Laim und
Berg am Laim nachweisen lassen, die den
„Lehm“ im Namen tragen.
Bei einer Grabung im Jahr 2000 wur-
den in Keferloh etwa 1900 irdene Bruch-
stücke in Gelb-, Rot- und Brauntönen ge-
funden. Mit den irdenen Boden-,Wand-,
Rand- und Henkelstücken konnte der
handgedrehte, zylindrische, deckellose, oxi-
dierend gebrannte, mit schon verfestigter
Formstabilität ausgestattete Keferloher
Irdenmaßkrug rekonstruiert werden. Auf-
grund historischer Bildquellen und des Gel-
tungsbereichs der Münchner Maß wurden
hierfür als Kenngröße ein Volumen von
1069 Kubikzentimetern und eine zylin-
drische Form angenommen. Der rekons
truierte Irdenmaßkrug weist ein beidseitig
glasiertes Mundstück und eine nicht glasier-
te Außenwand auf. Die unglasierte Irden
ware garantierte die lang anhaltende Küh-
lung des Biers im Krug, da durch die poröse
Wand kleine Flüssigkeitsmengen nach au-
ßen gelangen und verdunsten. Bei den hier
gezeigten Originalbruchstücken handelt es
sich um Teile eines Henkels (links), eines
innen glasierten Bodens (unten), einer nicht
glasierten Außen- und einer glasierten In-
nenwand sowie zwei Mundstücke mit Gla-
surübergang (rechts).
Die ursprüngliche, offenbar bereits da-
mals überregional bekannte Bezeichnung
„Keferloher“ von dem angesprochenen Ir-
denware- auf den deckellosen Steinzeug-
maßkrug zu übertragen,war angeblich eine
Werbeidee des späten 19. Jahrhunderts aus
dem Umfeld des Münchner Brauherrn
Georg Pschorr d. J. (1830–1894). Die Brau-
ereien und Wirte wollten damit wohl de-
ckellose Krüge populär machen und so die
Material-, Montage- und erhöhten Rei-
nigungskosten für die bis dahin üblichen
Zinndeckel einsparen.
S.R.
Lit.:
Bialucha, Maßkrugarchäologen; Rübensaal, Stein-
zeugproduktion
149
Rekonstruktion eines Keferloher Irdenmaß-
krugs und Originalscherben
Originalscherben: wohl 1. Hälfte 19. Jahrhundert,
Fundort: Keferloh (Gde. Grasbrunn, Lkr. München) |
Irdenware, gebrannt, H.19cm, Ø 15cm | Siegfried
Rübensaal, Lengdorf
149
Als „Keferloher“ wird heute
der beliebte deckellose,
graue Steinzeugmaßkrug bezeichnet.
Ursprünglich bezog sich der Name
auf eine andere Gef äßform.
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bier in bayern