nach Wien-Schwechat geliefert wurde, man war halt
großzügig. Die Linde’sche Kältemaschine gilt nach äl-
teren Ansätzen in den
USA
und Frankreich als erste
stabile, auf Ammoniak basierende Kühlung, die ihre
Zuverlässigkeit ganz wesentlich der erfahrenen Ma-
schinenfabrik Augsburg, der späteren
MAN
, verdankte.
Bereits vorher war es Sedlmayr gelungen, durch Iso-
lierung der Keller und Einlagerung von Eis aus dem
Nymphenburger Kanal in den früher „braufreien“ war-
men Jahreszeiten „Eisbier“ auszubrauen. Es handelte
sich dabei um das untergärige Bier, wie es in Bayern
seit Jahrhunderten gebraut wurde.Durch die industria-
lisierte Brauweise war es nun länger haltbar und wurde
deshalb als Lagerbier bezeichnet: das Münchner Hell.
Bereits 1835 hatte man es in England (!) gerühmt ob
des durchsichtigen Glanzes und 1845 in Kopenhagen
als „wunderbares bayerisches Bier“ bezeichnet. Durch
wissenschaftliche und technische Innovationen wurde
es weiter verfeinert und im Geschmack standardisiert,
was man anfangs in München nicht einhellig positiv be-
urteilte.Offenbar hatten die vormaligen Schwankungen
auch besonders herausragende Geschmackserlebnisse
ermöglicht. Ab 1851 entstand die neue Spaten-Braue-
rei an der Marsstraße nach modernstem industriellem
Standard. Neun Jahre später wurde hier als nächste
große Innovation der Dampfkochbetrieb eingeführt.
Die Dampfmaschine selbst war schon länger in Braue-
reien im Einsatz. Der bayerische Eisenbahnpionier Jo-
seph von Baader hatte nach dem Prinzip Watt bereits
1820 eine Dampfmaschine für die Spaten-Brauerei
konstruiert, die der Konstrukteur selbst, vielleicht ein
wenig selbstverliebt, als erste funktionstüchtige Bayerns
bezeichnete.Die Einsatzmöglichkeiten in der Brauerei
blieben aber bis zum Dampfkochbetrieb eher begrenzt.
Interessant erscheint in diesem Zusammenhang, dass
gleichzeitig mit Spaten die aufwändige Umstellung bei
der Brauerei Fikentscher in Regensburg erfolgte.Daran
zeigt sich beispielhaft, dass auch Brauereien im weite-
ren Bayern die Innovationen nach- oder mitvollzogen.
Im näheren und weiteren Umkreis Münchens galten
um 1830 die Brauereien in Ettal, Augsburg, Nürnberg,
Würzburg,Rothenburg, Passau und Kempten als beson-
ders fortschrittlich; auch Gabriel Sedlmayr sah sich bei
ihnen um.Viele vollzogen den Schritt zum industriel-
len Brauen und errichteten moderne Brauereianlagen
am Stadtrand oder in Bahnhofsnähe wie Riegele in
Augsburg,Huber-Bräu in Freising,Hacklberg in Passau,
Bischofshof in Regensburg, Auer in Rosenheim oder
Dietl in Straubing.
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Es ging aber auch ohne Stadt, wie
die Beispiele der ländlichen Adelsbrauereien Arco in
Adldorf und Moos und Aretin in Aldersbach beweisen.
Dass sich bayerische Innovationskraft nicht auf Mün-
chen beschränkte, zeigt das Beispiel der allesamt aus
Niederbayern stammenden Innovatoren des Pilsener
Urquell um den Vilshofener Joseph Groll, den „Vater
des Pils“.
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Der gewaltige Sprung der Münchner Brauer blieb frei-
lich einzigartig.Dies hing nicht nur – und jetzt kommen
wir zur eingangs gestellten Frage – mit den technischen
Entwicklungen und den daraus hervorsprudelnden Bie-
ren Münchner Lager, Märzen, Helles Lager (Pilsener
Art) oder Salvator (Starkbier) zusammen – dasWeißbier
spielte noch nicht die große Rolle
5
–, sondern auch mit
Marketing im weitesten Sinn. Prägend wurde hierfür
die Präsenz der großen Münchner Brauereien auf den
Weltausstellungen, wobei den Startschuss die Pariser
Expo von 1867 dargestellt haben dürfte.
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Hier erhielt
die Spaten-Brauerei ihre erste Goldmedaille, eine re-
nommierte und damit geldwerte Auszeichnung, und
hier präsentierte sie eine Gastronomie, die mit groß-
formatigen bayerischen Landschaftsbildern Atmosphäre
schuf. Ihr Maler, der Grafiker und Heraldiker Otto
Hupp, wird uns später noch begegnen und zu Gabriel
von Seidl führen, den Erfinder des Bierpalastes und
in gewisser Weise auch des typisch alpenländischen,
„bayerischen“ Wirtshauses.Tatsächlich wurde in Paris
die Verbindung Bier und Bayern international wohl
erstmals greifbar, um zukünftig bei keiner Weltausstel-
lung mehr zu fehlen.
Auf der LondonerWeltausstellung 1891 stach die Gas-
tronomie von Pschorr diejenige der Spaten-Brauerei
aus, und zwar mit den Auftritten einer Tiroler Sänger-
gesellschaft.Nachdem Außenstehenden die Differenzie-
rung der Alpenländer Bayern, Salzburg,Tirol nachvoll-
ziehbar schwerfiel,wurden dieTiroler unter die Bayern
subsumiert. Die Unterhaltung mit „bodenständiger“
Musik und Theater avancierte zum festen Bestandteil
bayerischer Bierkultur. Für die Österreicher insgesamt
war der Erfolg des bayerischen Biers wohl nicht gut aus-
zuhalten. Auf seiner Englandreise hatte Sedlmayr sein
Freund Franz Anton Dreher begleitet, dessen Brauerei
in Wien-Schwechat noch in den 1860er-Jahren mit
850 Beschäftigten als größte kontinentaleuropäische
galt und nach einer Megafusion kurz vor dem Ersten
Weltkrieg zu den „Vereinigten Brauereien Schwechat,
St. Marx, Simmering – Dreher, Mautner, Meichl
AG
“
hinsichtlich Größe den Vergleich mit den englischen
Brauereien nicht zu scheuen brauchte. In Österreich
wird bis heute übrigens gelegentlich behauptet, dass
Dreher das Lagerbier erfunden und in Europa, natür-
lich auch in München, verbreitet habe.
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Richtig aber
ist, dass die Grundlagen zur Herstellung des Lagerbiers
in Wien und in München aus derselben englischen
Quelle stammten, dass bezüglich der Vermarktung die
Bier in Bayern, Mythos im Mythos?
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Einleitung