Brauerei, die herausragendste Brauerschule, den wich-
tigsten Hopfenumschlagplatz, das schönste Volksfest,
das beste Wirtshaus oder die attraktivste Bierkönigin
gäbe. Aha! Eine Landesausstellung für 2016 war aber
noch gar nicht beschlossen, in den Jahren bis dahin
gab es mehr Freiräume als vergebene Themen respek-
tive Veranstaltungsorte, was ganz normal war. Dreierlei
war jedoch nicht normal, das wurde mir als eine der
ersten Erkenntnisse im neuen Amt schlagartig klar: das
Reinheitsgebot, das Bier und das Mir.
Aufgrund der großen Nachfrage nach diesen „Ab-
normitäten“ musste ich spontan reagieren und mit
Rückendeckung des zuständigen Ministers Dr.Tho-
mas Goppel verkündete ich, dass der Standort dieser
wichtigen Landesausstellung zu gegebener Zeit in ei-
nemWettbewerb ermittelt werde. Zu gegebener Zeit
bedeutet im Beamtenjargon: irgendwann halt, frühes-
tens in fünf Jahren. Nachdem der Druck aber nicht
nachließ, musste der Wettbewerb mit 13 Bewerbern
bereits 2010 durchgeführt werden. Am 2.November
2010 tagte die elfköpfige Jury unter Vorsitz von Minister
Dr.Wolfgang Heubisch. Wir waren alle gespannt und
rechneten mit einer langen Sitzung und einem knappen
Ergebnis, nachdem wir neben der fachlichen Kompe-
tenz der Juroren besonderenWert darauf gelegt hatten,
dass alle Bewerberregionen im Gremium vertreten
waren. Und dann kam wieder alles anders. Einstimmig
wurde derAußenseiter gekürt:Aldersbach in Niederbay-
ern.Die Sensation war perfekt. „Wo liegt Aldersbach?“,
titelte der „Donaukurier“ in Ingolstadt.Nicht die Stadt,
sondern das Dorf hatte die Bewerbungskriterien mit
Auszeichnung erfüllt: 1500 Quadratmeter Ausstellungs-
fläche im früheren Zisterzienserkloster samt einer der
schönsten bayerischen Barockkirchen als Draufgabe,
einer historischen und einer modernen Brauerei, einem
Veranstaltungssaal und einer Gastronomie, die meh-
rere 100 Plätze bietet, aber bescheiden „Stüberl“ heißt.
Diese Kombination der wesentlichen Elemente, in de-
nen sich die Verbindung Bier und Bayern herauskris-
tallisiert, nicht nur an einem Ort, sondern in einem
Ensemble – das hatten wir gesucht.Weil wir wussten,
dass eine Brauerei und ein Wirtshaus unbedingt zur
Landesausstellung gehören,museal aber nicht inszeniert
werden können. So etwas braucht es im Original. In
Aldersbach fanden wir es mit der Barockkirche als Voll-
endung, die den Dreiklang Haindlings ins Himmlische
erweitert, also in die richtige Richtung.
Das Votum der Jury wurde von der Politik angenom-
men, Minister Heubisch entschied für Aldersbach
und mit der Rückendeckung durch Ministerpräsident
Horst Seehofer blieb es dabei.Trotzdem ergaben sich
Schwierigkeiten, und zwar ausgerechnet wegen der
Einstimmigkeit der Entscheidung. Damit hatte keiner
gerechnet und deshalb wurde die bewährte Maxime,
dass es bei derartigen Abstimmungen immer eine Ge-
genstimme geben muss, nicht angewendet.Warum man
das sonst macht?Weil dann diejenigen, die wegen ihrer
Entscheidung in ihrer Heimatregion Ärger befürchten
müssen, sagen können, sie hätten dagegen gestimmt.
Deshalb durften wir die Juroren, um sie zu schützen,
nicht nennen, was für Misstrauen sorgte, das sich nicht
bei allen Bewerbern legte. Noch 2015 ging aus Ober-
franken bei einem Satire-Magazin derTipp ein, dass es
Aldersbach nur geworden sei,weil ich von dort stamme.
In niederbayerischer Definition komme ich aber aus
einer ganz anderen Galaxis, nämlich aus dem Bayeri-
schen Wald, von dessen Bergeshöhen man auf Vils-
und Rottal halt deutlich herabschaut.
Es blieb bei Aldersbach. Die anfängliche Skepsis wich
zunehmend der Begeisterung über den einmaligen Aus-
stellungsort. Bezeichnend mag sein, dass mein Stell-
vertreter und Projektleiter Rainhard Riepertinger, als
gebürtiger Münchner mit einem besonderen Verhält-
nis zum Bier ausgestattet, von Anfang an energischer
Befürworter des Standorts war und die Entscheidung
gerade in München eloquent verteidigte.Wobei sich
München um die Landesausstellung gar nicht beworben
hatte: „Wer ko, der ko“, soll der Münchner Wirt und
Rennmeister Franz Xaver Krenkl einmal gesagt haben.
In Aldersbach jedenfalls beflügeln nicht nur die Aus-
stellungsräume in der alten Brauerei und im Konvent
mit dem grandiosen Bibliothekssaal des Augsburger
Meisters Matthäus Günther. In der modernen Brau-
erei der Freiherren von Aretin spürt und riecht man
Tradition und Moderne. Im Bräustüberl kann man es
schmecken. Und wer sich Zeit nimmt und sich auf
den Ort einlässt, vielleicht ein bisserl hinauswandert,
der kann in dieser Gegend noch die letzten Spuren des
alten Niederbayern lesen.
Aldersbach hat viel mit Bier zu tun, weil Bier viel mit
Bayern zu tun hat. Das Bierbrauen war lange vor und
noch lange nach dem Reinheitsgebot ein wichtiger
Wirtschaftszweig für das Land, eng verbunden mit der
klösterlichenTradition, dem ora et labora, das nicht nur
die Benediktiner, sondern auch die Zisterzienser ver-
pflichtete. Brauerei und Wirtshaus – das waren wichtige
wirtschaftliche Fundamente fast jeder Grundherrschaft,
ob herzoglich, bischöflich oder gräflich. Eifersüchtig
achtete man darauf, dass die eigenen UntertanenTauf,
Hochzeit und Leich im „zuständigen“Wirtshaus beim
Bier des Grundherrn feierten.MehrereWirtschaften an
einem Ort kennzeichneten den Zentralort, den Markt
wie die Stadt. Das war aber an sich noch keine baye-
rische Besonderheit. Genauso prägend war das Bier in
Bier in Bayern, Mythos im Mythos?
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Einleitung