Ludwig der Bayer - page 2

20
Alois Schmid
Der Herzog
Ludwig der Bayer nahm seinen Anfang als Landes-
herr im Teilherzogtum Bayern-München. Dieser Tä-
tigkeitsbereich wurde in der reichen Literatur über
den wittelsbachischen Kaiser nur wenig berücksichtigt
und erst in jüngster Zeit vereinzelt aufgegriffen.
6
Hier
stand er zunächst als Zweitgeborener hinter dem älte-
ren Bruder Rudolf, dem „primogenitus“, zurück. Von
dieser nachgeordneten Position aus arbeitete sich Lud-
wig stufenweise in den Vordergrund, bis er schließlich
die unbestrittene Spitze des Gesamtherzogtums er-
reichte. Die entscheidenden Schritte waren die Nieder-
ringung der habsburgischen Ansprüche auf Niederbay-
ern, die vorübergehende gemeinsame Landesregierung
mit Herzog Rudolf I. in Oberbayern, dessen Verdrän-
gung von der politischen Bühne und die Erringung der
Alleinherrschaft im Teilherzogtum Bayern-München,
der Rückgewinn des Teilherzogtums Bayern-Lands-
hut
1340
/
41
. Damit war die Einheit des lange geteil-
ten Herzogtums Bayern wiederhergestellt, die Ludwig
auch für die Zeit nach seinem Tod sichern wollte. Die-
se Konzentration der Kräfte in den Stammlanden ging
Hand in Hand mit der Abgrenzung gegenüber dem
zweiten Herzogtum in der Zuständigkeit der Wittels-
bacher: der Pfalzgrafschaft am Rhein.
7
Sie schlug seit
dem Hausvertrag von Pavia
1329
unter den Söhnen
Herzog Rudolfs I. ihren eigenen Weg ein, der auch die
Obere Pfalz einschloss.
8
In den altbayerischen Stamm-
landen dagegen kämpfte der ursprüngliche Teilherzog
Ludwig IV. gezielt gegen die seit
1255
praktizierte Herr-
schaftsteilung an und setzte die Landeseinheit durch.
Diese Konzentrierung der Kräfte war ein erster in die
Zukunft weisender Zug.
Ludwig bemühte sich zudem um die Ausweitung
seiner Stammlande. Er war ein ungewöhnlich erfolg-
reicher Territorialpolitiker, der viele Mittel einzusetzen
wusste, um seine Hausmacht zu vergrößern.
9
Seine
wichtigsten Landgewinne betrafen die Mark Branden-
burg (
1323
), die Grafschaft Tirol (
1342
) und die Herr-
schaften an der Nordsee mit Holland, Seeland, Fries-
land und den Hennegau (
1346
). Das waren sehr
bedeutende Zugewinne, deren Erwerb und über das
eigene Leben hinausreichende Behauptung einen zu-
packenden und ungewöhnlich durchsetzungsfähigen
Hausmachtpolitiker deutlich machen.
Herzog Ludwig regierte seine Stammländer nach
sehr fortschrittlichen Prinzipien. Er setzte den Aufbau
eines leistungsfähigen Verwaltungssystems mit Zent-
ral-, Mittel- und Unterbehörden zielstrebig fort.
10
Der
Fernbesitz wurde mit wirkungsvollen Maßnahmen ge-
konnt angebunden.
11
Seine besondere Fürsorge aber
galt den Stammlanden. Hier legte der Herzog großen
Nachdruck auf die Rechtspraxis. Zu deren Optimie-
rung ordnete er die erste amtliche Kodifizierung nach
der alten Lex Baiuvariorum an. Das „Rechtsbuch“
von
1346
schuf kein neues Recht, es fasste vielmehr
das überkommene Privatrecht, Strafrecht, Verfahrens-
recht und Verwaltungsrecht in praktikabler Anord-
nung zumindest für das Teilherzogtum Oberbayern zu-
sammen.
12
Für jeden Rechtsvorgang hatte künftig im
Sinne fortschreitender Bürokratisierung das „buoch“
zugrunde gelegt zu werden. Diese Sammlung blieb bis
zum „Landrecht“ von
1518
in Gebrauch. Stadtrechts-
urkunden schufen verschriftlichte Grundlagen auch
für den städtischen Bereich. Besondere Fürsorge wur-
de der Wahrung des Landfriedens entgegengebracht.
13
Die Landesverwaltung erhielt vielfältige wirkungsvol-
le neue Impulse.
Als Landesherr bemühte sich Ludwig, seine Herr-
schaft durch persönliche Präsenz sichtbar zu ma-
chen. Die Regierungspraxis orientierte sich noch im-
mer stark an der überkommenen Reiseherrschaft.
14
Er
war beständig unterwegs, wobei sich allmählich Mün-
chen als Herrschaftsmittelpunkt abzeichnete. Nach
dem Ausscheren der Reichsstadt Regensburg aus dem
Verband des Herzogtums und dem Abrücken vom At-
tentatsort Kelheim (
1231
) war unter Herzog Otto II.
vorübergehend Landshut in die Rolle des Vororts („pre-
cipuum domicilium“) aufgerückt.
15
Seit der Landestei-
lung von
1255
schob sich neben Landshut München
in Vordergrund.
16
In diese Stadt wurde die dynasti-
sche Grablege verlegt. Hier kristallisierte sich der Alte
Hof als Herrschaftszentrum heraus, in dem die Re-
gierungsaktivitäten immer mehr konzentriert wur-
den. Doch etablierten sich neben Kelheim und Lands-
hut als weitere Zentralorte Ingolstadt, Straubing oder
Burghausen, sodass von einer polyzentrischen Admi-
nistrationsstruktur zu sprechen ist. Ludwig nahm die
Förderung des Städtewesens in Bayern nach einem
halben Jahrhundert der Stagnation erneut auf, wo-
bei er besonders auf den Salzhandel setzte.
17
Zu einer
Hauptstadtbildung im aufstrebenden München kam es
jedoch noch nicht, zumal die Stadt nach Ludwig wie-
der an Bedeutung einbüßte.
18
Zusammenfassend ist zur Herrschaft Ludwigs
in seinen Stammlanden als Herzog zu konstatieren,
dass sie auf den überkommenen Strukturen aufbaute,
dass sie diese in Einzelpunkten mithilfe konsequen-
ter Machtpolitik in durchaus bemerkenswerter Weise
weiterentwickelte. Als Territorialpolitiker beschritt er
verschiedentlich zukunftweisende Wege. Seine höchst
erfolgreiche, im Grunde freilich rigorose Hausmacht-
politik wollte seinem Territorium weitere Geltung ver-
schaffen. Er war bestrebt, seine gerade seit einem Jahr-
hundert mit Herzogswürden ausgestattete und damit
noch immer traditionsarme Familie zu einem höheren
Rang zu führen. An der Verwirklichung dieses dynas-
tisch grundgelegten, bereits vom Vater
1257
und
1273
› Ludwig war ein ungewöhnlich erfolgreicher
Territorialpolitiker, der sich um die Vergrößerung
seiner Hausmacht bemühte ‹
1 3,4,5,6,7,8
Powered by FlippingBook