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desto weniger
kümmerten sie sich um die alten Ideale. Auch Mönche und Nonnen waren
eben nur schwache und sündige Menschen, und es gab in der langen Geschichte
der Klöster manche Krisen. Am Anfang des 10. Jahrhunderts stand es so
schlimm, dass einmal ein Bischof wutentbrannt ausrief: "Jetzt aber leben
im Kloster Laienäbte mit Weibern, Kindern, Vasallen und Jagdhunden.
Wie soll einer die Regeln erklären, der wenn ihm das Buch vorgehalten
wird, antwortet: ´Ich kann nicht lesen`!" Im 12. und 13. Jahrhundert,
als sich immer mehr Menschen von der Kirche abwendeten, im 16. Jahrhundert,
als Martin Luther verkündete, dass jeder Mensch zum wahren Christentum
finden könne, dass es also ganz überflüssig sei, Mönch zu werden - immer
wieder schien es, als ob das Ende der Klöster unvermeidlich sei. Aber
immer wieder auch hatten Reformen zu einem Neuanfang geführt. Und im
18. Jahrhundert erlebten die Klostergemeinschaften noch einmal eine
ganz große Zeit, vor allem in Österreich und Süddeutschland. Prächtige
Bauten im Stil des Barock und des Rokoko traten an die Stelle der alten
Anlagen. Die Mönche vertieften sich mit großem Eifer in die Wissenschaft,
und in der Bewirtschaftung seines Landes und in der Behandlung seiner
Untertanen war so manches Kloster vorbildlich.
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Freilich wurde
vieles von dem Erwirtschafteten (und oft noch einiges mehr) für kostspielige
Baumaßnahmen wieder ausgegeben. Viele Äbte residierten mit einer Prachtentfaltung,
die der eines absolutistischen Fürsten in nichts nachstand, und auch
die Konvente lebten oft bei weitem nicht so bescheiden, wie es der heilige
Benedikt gefordert hatte. So stand es um die Finanzen etlicher Klöster
nicht zum besten. Dennoch, die Zustände in den meisten Klöstern waren
nicht übel. Mönche und Nonnen verstanden es, die Tradition zu wahren
und sich doch der modernen Zeit halbwegs anzupassen. Sogar die Ideen
der Aufklärung hatten in manchen Konvent Eingang gefunden ... Abt Klocker schreckte nach langem Sinnen hoch und blickte aus dem Fenster. Die Sonne stand schon ziemlich tief, allzu lange würde die Fahrt nicht mehr dauern. Eine tausendjährige Geschichte, dachte er, mit Höhen und Tiefen, wie überall, wo Menschen am Werk sind. Unvollkommen, aber doch immer wieder von dem Willen geprägt, Gott zu dienen.Er rief sich in Erinnerung, wie es um seine eigene Abtei in den letzten hundert Jahren bestellt war. Natürlich, es hatte auch mal Unzufriedenheit gegeben, Auseinandersetzungen, Eifersüchteleien, Streit und finanzielle Krisen.
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Aber wieviel
unvergleichliche Kunstwerke waren geschaffen worden! Die Klosterschule
war eine der erfolgreichsten in ganz Bayern, kaum irgendwo wurde die
Musik so gepflegt, und die Geschichtsschreiber Benediktbeuerns (er lächelt
ein bisschen stolz, schließlich gehört er zu ihnen) waren weithin berühmt.
Den Untertanen ging es gut, alle hatten satt zu essen, niemand wurde
schikaniert. Waren das nicht Dinge, die für einen Erhalt seiner Abtei
sprachen? Aber er war sich klar darüber: Ein absolutistischer Fürst
konnte in seinem Staat nicht dulden, dass jemand neben ihm herrschte;
und Herrschaft übten die Klöster in ihren Gebieten schließlich aus.
Das war das eine. Und das andere: Der moderne Geist der Aufklärung,
so sehr die Klöster auch davor bewahren konnte, nur in der Vergangenheit
zu leben, war doch ihr schlimmster Feind. Denn wie war eine Haltung,
die die Vernunft über alles stellte, mit dem Mönchtum zu vereinen, das
der Tradition und dem Glauben verhaftet war? Wenn Absolutismus und Aufklärung
zusammenkamen, dann war das Ende der alten Klöster wohl unvermeidbar. Er seufzte. Wie würde es mit ihm selbst weitergehen? Er hatte ja doch nichts außer "seinem" Kloster. Benediktbeuern hatte sein Leben bestimmt. Er wusste noch genau, wie es damals begonnen hatte ...
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