Der Abt des Klosters Monte Cassino in Italien, Benedikt von Nursia, entwarf eine Regel, die so überzeugend und so einfach war, dass sie sich im Abendland bald überall durchsetzte. Benediktiner nannten sich die Mönche und Nonnen, die nach ihr lebten, "ora et labora", bete und arbeite, war ihr oberster Leitsatz. Die frommen Männer und Frauen, die ihr Leben in den Dienst Gottes stellten, waren nun aus dem Alltagsleben nicht mehr wegzudenken. Mit Feuereifer rodeten sie Land, pflügten, säten und ernteten, errichteten Weingärten, Werkstätten, Bäckereien und Brauereien. Sie verbreiteten und festigten den christlichen Glauben in der Bevölkerung und machten ihre Klöster zu Zentren der Bildung und Kultur; viele Mönche wurden unentbehrliche Ratgeber des Königs und der Herzöge. Weil die Menschen glaubten, ihre Aussichten auf das ewige Leben durch mildtätige Schenkungen verbessern zu können, wurde so manches Kloster zum mächtigen Grundherrn. Aber auch den Klöstern ging es nicht anders, als es den weltlichen Mächtigen oft ging und geht: Macht verdirbt den Charakter. Je einflussreicher und wohlhabender sie wurden,
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desto weniger kümmerten sie sich um die alten Ideale. Auch Mönche und Nonnen waren eben nur schwache und sündige Menschen, und es gab in der langen Geschichte der Klöster manche Krisen. Am Anfang des 10. Jahrhunderts stand es so schlimm, dass einmal ein Bischof wutentbrannt ausrief: "Jetzt aber leben im Kloster Laienäbte mit Weibern, Kindern, Vasallen und Jagdhunden. Wie soll einer die Regeln erklären, der wenn ihm das Buch vorgehalten wird, antwortet: ´Ich kann nicht lesen`!" Im 12. und 13. Jahrhundert, als sich immer mehr Menschen von der Kirche abwendeten, im 16. Jahrhundert, als Martin Luther verkündete, dass jeder Mensch zum wahren Christentum finden könne, dass es also ganz überflüssig sei, Mönch zu werden - immer wieder schien es, als ob das Ende der Klöster unvermeidlich sei. Aber immer wieder auch hatten Reformen zu einem Neuanfang geführt. Und im 18. Jahrhundert erlebten die Klostergemeinschaften noch einmal eine ganz große Zeit, vor allem in Österreich und Süddeutschland. Prächtige Bauten im Stil des Barock und des Rokoko traten an die Stelle der alten Anlagen. Die Mönche vertieften sich mit großem Eifer in die Wissenschaft, und in der Bewirtschaftung seines Landes und in der Behandlung seiner Untertanen war so manches Kloster vorbildlich.
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Freilich wurde vieles von dem Erwirtschafteten (und oft noch einiges mehr) für kostspielige Baumaßnahmen wieder ausgegeben. Viele Äbte residierten mit einer Prachtentfaltung, die der eines absolutistischen Fürsten in nichts nachstand, und auch die Konvente lebten oft bei weitem nicht so bescheiden, wie es der heilige Benedikt gefordert hatte. So stand es um die Finanzen etlicher Klöster nicht zum besten. Dennoch, die Zustände in den meisten Klöstern waren nicht übel. Mönche und Nonnen verstanden es, die Tradition zu wahren und sich doch der modernen Zeit halbwegs anzupassen. Sogar die Ideen der Aufklärung hatten in manchen Konvent Eingang gefunden ...
Abt Klocker schreckte nach langem Sinnen hoch und blickte aus dem Fenster. Die Sonne stand schon ziemlich tief, allzu lange würde die Fahrt nicht mehr dauern. Eine tausendjährige Geschichte, dachte er, mit Höhen und Tiefen, wie überall, wo Menschen am Werk sind. Unvollkommen, aber doch immer wieder von dem Willen geprägt, Gott zu dienen.Er rief sich in Erinnerung, wie es um seine eigene Abtei in den letzten hundert Jahren bestellt war. Natürlich, es hatte auch mal Unzufriedenheit gegeben, Auseinandersetzungen, Eifersüchteleien, Streit und finanzielle Krisen.
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Aber wieviel unvergleichliche Kunstwerke waren geschaffen worden! Die Klosterschule war eine der erfolgreichsten in ganz Bayern, kaum irgendwo wurde die Musik so gepflegt, und die Geschichtsschreiber Benediktbeuerns (er lächelt ein bisschen stolz, schließlich gehört er zu ihnen) waren weithin berühmt. Den Untertanen ging es gut, alle hatten satt zu essen, niemand wurde schikaniert. Waren das nicht Dinge, die für einen Erhalt seiner Abtei sprachen? Aber er war sich klar darüber: Ein absolutistischer Fürst konnte in seinem Staat nicht dulden, dass jemand neben ihm herrschte; und Herrschaft übten die Klöster in ihren Gebieten schließlich aus. Das war das eine. Und das andere: Der moderne Geist der Aufklärung, so sehr die Klöster auch davor bewahren konnte, nur in der Vergangenheit zu leben, war doch ihr schlimmster Feind. Denn wie war eine Haltung, die die Vernunft über alles stellte, mit dem Mönchtum zu vereinen, das der Tradition und dem Glauben verhaftet war? Wenn Absolutismus und Aufklärung zusammenkamen, dann war das Ende der alten Klöster wohl unvermeidbar.
Er seufzte. Wie würde es mit ihm selbst weitergehen? Er hatte ja doch nichts außer "seinem" Kloster. Benediktbeuern hatte sein Leben bestimmt. Er wusste noch genau, wie es damals begonnen hatte ...
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