Die Entscheidung ist endgültig.
 
Am 18. März erwachte Abt Klocker, bevor noch die Glocken das Morgengebet verkündeten. Im Laufe vieler Jahre war ihm das frühe Aufstehen in Fleisch und Blut übergegangen, und in dieser Nacht hatte er ohnehin nicht gut geschlafen. Er klingelte seinem Diener, der ihm warmes Wasser brachte und ihm beim Rasieren und Ankleiden behilflich war. "Bald schon", dachte der Abt, "bald schon kann ich schlafen, den ganzen Tag, wenn ich will, denn dann bin ich Pensionär, ein Abt, der sein Gnadenbrot verzehren darf!"
Er verließ seine Wohnung und ging gemessenen Schrittes durch den Kreuzgang der Kirche. Was würde der heutige Tag bringen? Würde es ihm gelingen, wenigstens einen Aufschub zu erreichen? Er glaubte nicht recht daran. Die Ereignisse der letzten Jahre, die strikte Kontrolle, die immer häufiger geforderten finanziellen Opfer, zeigten, wie ernst es dem Kurfürsten damit war, den Klöstern den Garaus zu machen.
Klocker betrat die Kirche und nahm seinen Platz ihm Chor ein. Während der allmorgendliche Lobgesang begann, der zu seinem Leben gehörte wie Essen und Trinken, musterte er verstohlen seine Mitbrüder.
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Den hochgelehrten und warmherzigen Ägidius Jais, der sich um Bildung und Erziehung der Jugend hervorragend verdient gemacht hatte. Den gewissenhaften Waldram Jocher, der die Finanzen des Klosters in vorbildlicher Ordnung gehalten hatte. Den Tiroler Innozenz Ladurner, der ein so vorzüglicher Musiker war. Dann wandte sich sein Blick dem jüngsten Mönch zu, dem Frater Aloys Buchner. Noch nicht zwanzig Jahre war er alt, und Klocker hatte ihm eine glänzende Zukunft im Kloster prophezeit ... Und nun? Was würde aus ihnen allen werden?
Plötzlich wurde ihnen bewusst, dass seine Gedanken überall weilten, nur nicht bei Gott, zu dessen Lob er doch in die Kirche gekommen war. Er hob die Augen zum Kruzifix auf dem Altar. "Verzeih, Herr", flüsterte er, "mir scheint, ich bin heute nicht so recht bei der Sache. Sie wollen, indem sie uns unser Zuhause nehmen, uns treffen, in Wahrheit aber berauben sie damit dich! Vergib mir also, wenn meine Gedanken abschweifen!"
Nach dem Gottesdienst berief er den Konvent, soweit er sich im Hause befand, in den Kapitelsaal. Als sich alle versammelt hatten, winkte er ihnen zu schweigen und rief ihnen zu: "Liebe Mitbrüder! Ihr wisst, welches Schicksal unserer Gemeinschaft wie allen klösterlichen Gemeinschaften bestimmt ist.
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Mir ist bekannt, dass der eine oder andere von uns darüber nicht einmal böse ist, aus mehr oder weniger guten Gründen ..."Einige Mönche grinsten verstohlen, denn sie wussten wohl, dass damit vor allem Pater Winnerl gemeint war.
"Ich bitte euch aber", fuhr der Abt fort, "vergesst nicht, in welch ehrwürdiger Tradition dieses Kloster steht. Weit länger als ein Jahrtausend haben hier Mönche zum Lobe und im Dienste Gottes und zum Besten aller Menschen gewirkt. Darum, wenn man euch fragt, beharrt auf euren Rechten, weist auf die Leistungen des Klosters hin und nennt die Schändlichkeit, die euch widerfahren soll, beim Namen. Und jetzt Brüder, Gott sei mit uns, auch in diesen schweren Tagen." Damit entließ er die Mönche. Anschließend befahl er einem jungen Bruder, den Kommissär zu wecken und zu ihm ins Refektorium zu geleiten.
Ockel ließ nicht lange auf sich warten. Frisch und ausgeruht wirkte er, als er das Refektorium betrat. Dann saßen sie sich gegenüber, temperamentvoll und sichtlich bewegt der Abt, ausdruckslos und gelassen der Kommissär.
"Herr Abt", begann Ockel, nachdem er höflich gegrüßt hatte, "Sie wissen, warum ich hier bin, dass ich auf allerhöchsten Befehl handle und dass es gegen die zu treffenden Maßnahmen kein Wenn und Aber geben kann.
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Ich möchte aber, dass sie Sinn und Berechtigung der Auflösung einsehen und sie nicht etwa für ein himmelschreiendes Unrecht halten ..." "Ja, zum Donnerwetter, was ist sie denn sonst?" unterbrach ihn der Abt erregt und vergaß ganz, dass er ja noch weniger als sein Gegenüber fluchen sollte. "Wie würden Sie es denn nennen, wenn man jemandem sein Zuhause, seinen Besitz, seine Rechte und seine Zukunft nimmt? Stellen Sie sich vor, Ihnen widerführe das! Wie würden Sie es nennen, wenn Verhältnisse, die tausend Jahre zum Segen der Menschheit bestanden haben, nun gewaltsam verändert werden? Wie würden Sie es nennen, wenn so offensichtlich gegen Gottes Gebot verstoßen wird?" Ockel entgegnete ruhig: "Sie sind begreiflicherweise sehr aufgeregt, Hochwürdiger Herr Abt, aber das sollte Sie nicht an einem sachlichen
Urteil hindern.
Gegen Gottes Gebot will niemand verstoßen. Seine Durchlaucht führt ja nun wahrlich keinen Kampf gegen die Religion. Der Kurfürst will nur den Besitz und die Macht der Klöster nicht länger dulden. Denn sehen Sie, was tausend Jahre der Menschheit zum Segen gereicht hat, muss ihr in Zukunft noch lange nicht zum Segen gereichen. Wahr ist, dass die Klöster in diesem Zeitraum ein ungeheures Vermögen angesammelt haben.
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Ein Vermögen, das beständig wuchs, weil nie etwas davon verkauft oder vererbt wurde. Dazu wurden den Klöstern viele Rechte verliehen - ich sage: verliehen, nicht geschenkt! -. Die Gerichtsbarkeit und Verwaltung betrafen. Das mag im Mittelalter durchaus seine Berechtigung gehabt haben. Aber heute ist das anders, und deshalb fordert der bayerische Herrscher die verliehenen Rechte und den verliehenen Besitz mit gutem Grund zurück.
Mit allem Nachdruck muss ich auch zurückweisen, dass hier irgendjemandem etwas ´genommen´ wird. Im Gegenteil, seine kurfürstliche Durchlaucht haben gnädigst geruht, allen Mönchen und Nonnen nicht unbeträchtliche Pensionen auszusetzen."
Abt Klocker rang mühsam nach Fassung. "Meinen Sie das im Ernst", rief er, "dass man mit ein paar armseligen Gulden den Verlust des Zuhauses und der Geborgenheit ausgleichen kann? Im übrigen kann ich Ihre Ansicht wahrhaftig nicht teilen, dass in unserem Gemeinwesen die Leistungen der Klöster überflüssig seien. Haben wir nicht einen beträchtlichen Teil unseres Landes an Bauern in Erbpacht abgegeben und ihnen so ein Leben in Sicherheit ermöglicht? Verleihen wir nicht unser Kapital zu günstigen Zinsen, so dass es zum Wohle aller arbeiten kann? Ihre Argumentation ist abwegig, Herr Kommissär!"
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