|
|||||
Den hochgelehrten
und warmherzigen Ägidius Jais, der sich um Bildung und Erziehung der
Jugend hervorragend verdient gemacht hatte. Den gewissenhaften Waldram
Jocher, der die Finanzen des Klosters in vorbildlicher Ordnung gehalten
hatte. Den Tiroler Innozenz Ladurner, der ein so vorzüglicher Musiker
war. Dann wandte sich sein Blick dem jüngsten Mönch zu, dem Frater Aloys
Buchner. Noch nicht zwanzig Jahre war er alt, und Klocker hatte ihm
eine glänzende Zukunft im Kloster prophezeit ... Und nun? Was würde
aus ihnen allen werden? Plötzlich wurde ihnen bewusst, dass seine Gedanken überall weilten, nur nicht bei Gott, zu dessen Lob er doch in die Kirche gekommen war. Er hob die Augen zum Kruzifix auf dem Altar. "Verzeih, Herr", flüsterte er, "mir scheint, ich bin heute nicht so recht bei der Sache. Sie wollen, indem sie uns unser Zuhause nehmen, uns treffen, in Wahrheit aber berauben sie damit dich! Vergib mir also, wenn meine Gedanken abschweifen!" Nach dem Gottesdienst berief er den Konvent, soweit er sich im Hause befand, in den Kapitelsaal. Als sich alle versammelt hatten, winkte er ihnen zu schweigen und rief ihnen zu: "Liebe Mitbrüder! Ihr wisst, welches Schicksal unserer Gemeinschaft wie allen klösterlichen Gemeinschaften bestimmt ist.
40
|
||
|
Mir ist bekannt,
dass der eine oder andere von uns darüber nicht einmal böse ist, aus
mehr oder weniger guten Gründen ..."Einige Mönche grinsten verstohlen,
denn sie wussten wohl, dass damit vor allem Pater Winnerl gemeint war. "Ich bitte euch aber", fuhr der Abt fort, "vergesst nicht, in welch ehrwürdiger Tradition dieses Kloster steht. Weit länger als ein Jahrtausend haben hier Mönche zum Lobe und im Dienste Gottes und zum Besten aller Menschen gewirkt. Darum, wenn man euch fragt, beharrt auf euren Rechten, weist auf die Leistungen des Klosters hin und nennt die Schändlichkeit, die euch widerfahren soll, beim Namen. Und jetzt Brüder, Gott sei mit uns, auch in diesen schweren Tagen." Damit entließ er die Mönche. Anschließend befahl er einem jungen Bruder, den Kommissär zu wecken und zu ihm ins Refektorium zu geleiten. Ockel ließ nicht lange auf sich warten. Frisch und ausgeruht wirkte er, als er das Refektorium betrat. Dann saßen sie sich gegenüber, temperamentvoll und sichtlich bewegt der Abt, ausdruckslos und gelassen der Kommissär. "Herr Abt", begann Ockel, nachdem er höflich gegrüßt hatte, "Sie wissen, warum ich hier bin, dass ich auf allerhöchsten Befehl handle und dass es gegen die zu treffenden Maßnahmen kein Wenn und Aber geben kann.
41
|
||
|
Ich möchte aber,
dass sie Sinn und Berechtigung der Auflösung einsehen und sie nicht
etwa für ein himmelschreiendes Unrecht halten ..." "Ja, zum Donnerwetter,
was ist sie denn sonst?" unterbrach ihn der Abt erregt und vergaß ganz,
dass er ja noch weniger als sein Gegenüber fluchen sollte. "Wie würden
Sie es denn nennen, wenn man jemandem sein Zuhause, seinen Besitz, seine
Rechte und seine Zukunft nimmt? Stellen Sie sich vor, Ihnen widerführe
das! Wie würden Sie es nennen, wenn Verhältnisse, die tausend Jahre
zum Segen der Menschheit bestanden haben, nun gewaltsam verändert werden?
Wie würden Sie es nennen, wenn so offensichtlich gegen Gottes Gebot
verstoßen wird?" Ockel entgegnete ruhig: "Sie sind begreiflicherweise
sehr aufgeregt, Hochwürdiger Herr Abt, aber das sollte Sie nicht an
einem sachlichen Urteil hindern. Gegen Gottes Gebot will niemand verstoßen. Seine Durchlaucht führt ja nun wahrlich keinen Kampf gegen die Religion. Der Kurfürst will nur den Besitz und die Macht der Klöster nicht länger dulden. Denn sehen Sie, was tausend Jahre der Menschheit zum Segen gereicht hat, muss ihr in Zukunft noch lange nicht zum Segen gereichen. Wahr ist, dass die Klöster in diesem Zeitraum ein ungeheures Vermögen angesammelt haben.
42
|
||
|
Ein Vermögen,
das beständig wuchs, weil nie etwas davon verkauft oder vererbt wurde.
Dazu wurden den Klöstern viele Rechte verliehen - ich sage: verliehen,
nicht geschenkt! -. Die Gerichtsbarkeit und Verwaltung betrafen. Das
mag im Mittelalter durchaus seine Berechtigung gehabt haben. Aber heute
ist das anders, und deshalb fordert der bayerische Herrscher die verliehenen
Rechte und den verliehenen Besitz mit gutem Grund zurück. Mit allem Nachdruck muss ich auch zurückweisen, dass hier irgendjemandem etwas ´genommen´ wird. Im Gegenteil, seine kurfürstliche Durchlaucht haben gnädigst geruht, allen Mönchen und Nonnen nicht unbeträchtliche Pensionen auszusetzen." Abt Klocker rang mühsam nach Fassung. "Meinen Sie das im Ernst", rief er, "dass man mit ein paar armseligen Gulden den Verlust des Zuhauses und der Geborgenheit ausgleichen kann? Im übrigen kann ich Ihre Ansicht wahrhaftig nicht teilen, dass in unserem Gemeinwesen die Leistungen der Klöster überflüssig seien. Haben wir nicht einen beträchtlichen Teil unseres Landes an Bauern in Erbpacht abgegeben und ihnen so ein Leben in Sicherheit ermöglicht? Verleihen wir nicht unser Kapital zu günstigen Zinsen, so dass es zum Wohle aller arbeiten kann? Ihre Argumentation ist abwegig, Herr Kommissär!"
43
|
||
|