|
König Ludwig II. und Bismarck
"Ein ewiges Rätsel will ich bleiben mir und anderen."
Schwärmerisch und unerfahren, menschenscheu und ohne politische Neigungen:
Zur Zeit der preußischen Expansion war König Ludwig II. der
falsche Mann auf seinem Platz. Nur zwei Jahre nach der Thronbesteigung
musste er 1866 das Scheitern der Politik seines Vaters erleben und sich
an Preußen binden. Sein übersteigertes monarchisches Selbstbewusstsein
litt darunter schwer. Lohengrin, Neuschwanstein, Herrenchiemsee, maurische
Häuser: Der Rückzug in poetische Traumwelten der Oper, in Architekturkulissen
mittelalterlich-romantischen Fürstentums, absolutistischer Machtvollkommenheit
oder orientalischer Despotie entsprang nicht zuletzt dem Versuch, realen
Machtverlust mit phantastischen Inszenierungen zu kompensieren. Fluchtwelt
statt Machtausübung, Rausch von Tönen, Bildern und Bauten statt
Aktenstudium und politischen Konferenzen - Ludwigs II. der Realität
entrücktes, den brennenden Problemen der Gegenwart abgewandtes Königtum
war einer ordentlichen Verwaltung ein Ärgernis.
Bismarck empfand stets eine
gewisse Sympathie für den bayerischen König, die aber mit politischem
Kalkül verbunden war. Als süddeutsches Bollwerk gegen die Ultramontanen
war Ludwig II. für die preußische Politik wertvoll: "der
tolle König ist immer noch besser als der schwarze Luitpold"
(so Georg Frhr. von Werthern, preußischer Gesandter in München).
Umgekehrt schätzte Ludwig
den Reichskanzler, der ihm nach 1870 als Garant der förderativen
Ordnung des Reiches erschien. Bismarck trug mit den Zahlungen aus dem
Welfenfonds seinen Teil zur Finanzierung der romantischen Kulissenwelt
bei. Der König finanzierte damit z. B. den Erwerb der Herreninsel
im Chiemsee. Trotz der Zahlungen schien 1886 der private Bankrott Ludwigs
II. unvermeidlich. Die vom König verweigerte Einstellung der Bautätigkeit
und wohl auch die Furcht, Ludwig könne aus finanziellen Erwägungen
eine konservativ-katholische Regierung einsetzen, veranlasste das liberale
Ministerium zur Entmündigung, die zum tragischen Tod des Königs
im Starnberger See führte.
Bismarck konnte und wollte
nicht mehr intervenieren. Ob "Absetzung" oder "Nichtregieren"
- mit dem Skandal um den bayerischen König drohte ein Ansehensverlust
für das monarchische Prinzip, auf dem das Deutsche Reich basierte.
|
|
|