Bayerns Reservatrechte
Im Kaiserreich war Bayern Glied eines Bundesstaates mit 25 Mitgliedern.
Präsident des Bundes mit dem Titel "Deutscher Kaiser" war
der König von Preußen. Die Souveränität lag beim
Bundesrat als Vertretung der Gliedstaaten, in dem Bayern über sechs
von 58 Stimmen verfügte. Das Gesetzgebungsrecht übte der durch
allgemeine und gleiche Wahl gebildete Reichstag zusammen mit dem Bundesrat
aus. Bayern blieben besondere
Rechte vorbehalten, insbesondere:
die
Militärhoheit in Friedenszeiten
ein
eigenes Eisenbahn- und Postwesen
die Branntwein- und
Biersteuer - ein finanziell
wie
psychologisch bedeutsames
Recht
Darüber hinaus hielt Bayern an dem Recht auf eigene Gesandtschaften
inner- und außerhalb des Reichs fest, obwohl die Außenpolitik
in die Kompetenz des Reichs fiel. Über die "Reservatrechte",
letzte Zeichen staatlicher Eigenständigkeit, wachte Bayern argwöhnisch.
Obwohl Bayern allmählich
in das Reich hineinwuchs, blieb die Einstellung zu diesem weiterhin gespalten.
Den Beitritt zum Kaiserreich wieder rückgängig machen wollte
aber auch in Bayern niemand ernstlich. Auf der einen Seite hielten die
katholisch-konservativen, ländlichen Kräfte vorwiegend in Altbayern
an ihrer negativen Einstellung gegenüber dem preußisch dominierten
Kleindeutschland fest. Bismarcks Kulturkampf bestärkte ihre Vorbehalte.
Auf der anderen Seite standen
die zumeist protestantischen liberalen Kräfte, wohlhabendes städtisches
Bürgertum und die Landbevölkerung der ehemals zollerschen Lande
in Franken. Reichspatriotismus wurde vorzugsweise von diesen Gruppen getragen.
Die Beamtenschaft Bayerns bekannte sich überwiegend zur liberalen
Seite. Obwohl das Gewicht im Landtag sich immer stärker zur katholisch-konservativen
Seite neigte, beriefen die Monarchen - auch aus Rücksicht auf Preußen
- bis 1912 liberale Regierungen.
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