|
Königsherrschaft
und Stammesherzogtum
Während das heutige Nordbayern seit dem 6. Jahrhundert unter direkte
fränkische Herrschaft gelangte, so daß sich im 7. Jahrhundert nur
für relativ kurze Zeit ein Herzogtum ausbilden konnte, entwickelten
sich südlich davon die durch den Lech getrennten Stammesherzogtümer
der Alamannen und Bayern. Zwar entstanden die beiden Herzogtümer
ebenfalls durch den machtpolitischen Eingriff der Franken, doch
gelang es beiden Stämmen, eine gewisse Selbständigkeit gegenüber
der fränkischen Oberhoheit zu gewinnen.
Die ersten Ansätze zur Herrschaftsbildung
bei den sich zum Stamm entwickelnden Baiern dürften sich bereits
unter dem Einfluß der Ostgoten Ende des 5./ Anfang des 6. Jahrhunderts
herausgebildet haben. Auf sicherem Boden bewegen wir uns aber erst
mit der frühesten Nennung eines bayerischen Herzogs namens Garibald
I. (vor 555-ca. 591). Er stammte, wie alle bayerischen Herzöge bis
zur Beseitigung des Stammesherzogtums 788, gemäß einer Bestimmung
der ältesten bayerischen Rechtsaufzeichnung, der Lex Baiuvariorum,
aus dem Geschlecht der Agilolfinger. Ihre Herrschaft übten die agilolfingischen
Herzöge in einem mehr oder weniger engen Abhängigkeitsverhältnis
zu den fränkischen Königen aus, die mehrfach durch Ab- oder Einsetzung
eines Herzogs direkt in die politischen Geschicke des Herzogtums
eingriffen. Durch Heiratsverbindungen mit den langobardischen, alamannischen
und vielleicht auch thüringisch-fränkischen Königs- bzw. Herzogsgeschlechtern
versuchten die bayerischen Agilolfinger, eine eigenständige Politik
zu betreiben. Sie erlangten so zeitweise eine fast königsgleiche
Stellung.
Herzog, Adel und Volk
Die "staatlichen" Leitungsfunktionen des Herzogs beschränkten sich
weitgehend auf die Führung des bayerischen Heerbannes im Krieg und
auf die oberste Rechtsprechung im Frieden. Nach der gestaffelten
Höhe des "Wergeldes", des Sühnegeldes für Straftaten in der Lex
Baiuvariorum, folgten dem Herzog in der sozialen Rangordnung fünf
namentlich genannte Adelsgeschlechter, dann die Freien, die Freigelassenen
und schließlich die praktisch rechtlosen Unfreien. Daneben bezeugen
die Urkunden des 8. Jahrhunderts eine breitere Adelsschicht, oft
im Amt eines Grafen und Richters, die sich im Rechtsstatus aber
noch nicht von den Freien unterschied. Die Machtstellung von Herzog,
Adel und der durch reiche Schenkungen mächtig gewordenen Kirche
beruhte auf einem ausgedehnten Grundbesitz und auf der Verfügungsgewalt
über die abhängigen Bauern, die diese Landgüter bewirtschafteten
und ihren Grundherren Abgaben und Dienste leisten mußten. Dieses
System der Grundherrschaft, ein wesentliches Element der mittelalterlichen
Gesellschaftsstruktur, ermöglichte erst den Landesausbau und schuf
auch die Voraussetzungen für die kulturellen Leistungen der Kirche.
Grenzen und Nachbarn
Während die Lechgrenze im Westen gegen die Alamannen stabil blieb,
dehnte sich das bayerische Siedlungsgebiet nach Osten bis etwa zur
oberösterreichischen Enns aus. Im Süden residierten im 7. Jahrhundert
ein bayerischer Grenzgraf in Bozen, und in das Gebiet nördlich der
Donau, den Nordgau, drangen die Bayern bis in die Gegend von Nürnberg
und Fürth vor. Der Kernraum des Herzogtums lag an der Donau, mit
dem herzoglichen Hauptsitz Regensburg, sowie an Isar, Inn und Salzach.
Der Abzug der Langobarden aus Pannonien nach Oberitalien im Jahr
568 leitete grundlegende Veränderungen im östlichen und südöstlichen
Grenzgebiet Bayerns ein. Die freigewordenen Räume besetzten das
Reitervolk der Awaren und ihnen folgend die Slawen, was besonders
in der Anfangsphase zu kriegerischen Auseinandersetzungen führte.
Im 8. Jahrhundert gelang es den Bayern, die slawischen Karantanen
im südöstlichen Alpenraum (Kärnten) zu missionieren und ihrer Herrschaft
zu unterwerfen.
|