Hintergründe zum Entstehen des Ansbacher Mémoire von 1796 Wie kam es nun dazu, daß Montgelas als frischgebackener "Angestellter" des Herzogs von Zweibrücken diesem 1796 im Ansbacher Exil eine Denkschrift überreichte, deren Vorschläge er nur wenige Jahre später tatsächlich in teilweise umwälzende Reformen umsetzen konnte? Die Voraussetzungen lagen im Zusammentreffen einiger äußerer Umstände genauso wie in der Person Montgelas selbst. Zunächst war es der Erbfall, der den Herzog von Zweibrücken zum bayerischen Kurfürsten machte. Dann war es aber auch die Person des Herzogs, der es verstand, sich selbst zurückzunehmen, eine Trennung von Dynastie und Staat zu ermöglichen und trotz aller Neuerungen für die Untertanen auch weiterhin oberste Integrationsfigur zu bleiben. Zum dritten waren es die bereits angesprochenen staatsrechtlichen Veränderungen, die manche Eingriffe, die etwa die alte Reichsverfassung betroffen hatten, erst ermöglichten. Und schließlich kam es zum Zusammentreffen einiger gleichgesinnter Männer, die gewillt waren, Veränderungen im Sinne der Aufklärung und einer Betonung der Staatsgewalt durchzusetzen. Neben Montgelas und ihm durchaus ebenbürtig ist hier besonders Georg Friedrich Frhr. von Zentner zu erwähnen, der fast noch mehr Sendungsbewußtsein als der doch auch pragmatisch handelnde Montgelas entwickelte. Diese Männer um den Minister Montgelas stammten vielfach aus dem Pfälzischen und waren zum Teil bereits mit Karl Theodor nach Bayern gekommen, wie etwa Finanzminister Franz Karl von Hompesch. Sie waren vom Gedankengut der Aufklärung überzeugt und versuchten nun ihre Überzeugung in einem reformierten Staatssystem umzusetzen. Was aber war das umwälzende, das Montgelas in seinem Ansbacher Mémoire forderte? Im Grunde genommen Dinge, die uns heute selbstverständlich erscheinen, die in ähnlicher Weise bereits die Fürsten vor ihm eingeleitet hatten und die parallel zu Bayern auch in Preußen mit den Reformen von Stein und Hardenberg und mit Reitzenstein in Baden versucht wurden. Montgelas forderte eine klar gegliederte und durchschaubare Ministerialorganisation mit abgegrenzten Zuständigkeiten, eine neue Verwaltungsgliederung mit einheitlichen Instanzenwegen in Gesamtbayern, eine gut ausgebildete, unbestechliche, ausreichend bezahlte und sozial abgesicherte Beamtenschaft, eine steuerliche Gleichbehandlung aller Menschen, die Unabhängigkeit der Richter, die Trennung von Justiz und Verwaltung, die Überantwortung aller judikativen Bereiche in staatliche Oberaufsicht, die Reform des Straf- und Zivilrechts, die Möglichkeit für die Bauern, adeliges Obereigentum an Grund und Boden abzulösen, die Beschränkung der Kirche auf den religiösen Bereich, die Aufhebung der Bettelorden bzw. die bessere Nutzbarmachung der Klöster, die religiöse Toleranz, die Aufhebung der Zensur, die Verbesserung der Universitäten und Schulen. In einer übergeordneten Instanz sollte das Gespräch zwischen den Ministerien gefördert werden und eine Koordination der Einzelmaßnahmen erfolgen. Am Ende stand das Ziel eines geschlossenen Staatsgebietes, in dessen Ministerien sich alle staatliche Macht vereint. Die Umsetzung des staatlichen Willens sollte von gut ausgebildeten unbestechlichen Beamten übernommen werden, die in einheitlich strukturierten und straff organisierten Ämtern ihren Dienst versahen. Effektivität und Kompetenz sollten die Verwaltung bestimmen, der Ausfluß jeglicher obrigkeitlicher Macht allein bei den staatlichen Behörden liegen. Darüber hinaus versuchte Montgelas ein bayerisches, patriotisches Empfinden zu wecken, um die örtlichen Gebundenheiten des Einzelnen abzulösen und statt dessen eine Identifikation mit dem Königreich Bayern zu ermöglichen. Das Fortleben regionaler Identitäten in Altbayern, Franken, Schwaben, bei den Augsburgern oder Ansbachern auch im heutigen Freistaat zeigt, daß hier durchaus die älteren Traditionen noch lebendig sind.
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