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Hoftaferne Neuburg am Inn
NEIN, NICHT NEUBURG an der
Donau! Neuburg am Inn – ja, das gibt es auch, obwohl der Umstand
außerhalb Niederbayerns weithin unbekannt scheint. Ein
unauffälliges Straßenörtchen knapp südlich vor Passau, am
Hochufer des Inn gelegen, der hier die Grenze zwischen »drent und
herent« bildet: »drent« ist das drübere
Oberösterreich, »herent«
das hiesige Altbayern. Schnell ist man durchs Dorf gerauscht, und
wer nicht aufpasst, übersieht das steile Fahrweglein, das ein
paar Meter bergab zu einem der verblüffend schönsten Ensembles
Ostbayerns führt: zur mächtigen Burg Neuburg samt seit dem
Spätmittelalter zugehöriger »Hoftaferne«.
Man parkt an der
Ringmauer der Burg und freut sich bei einem ersten
Rundblick,
dass hier seit dem letzten Besuch vor vielen Jahren alles beim
Alten geblieben ist. Rechts das Burgtor, von mehreren trutzigen
Türmen überragt, voraus die Rarität des wunderbar intakten
barocken »Paradiesgärtleins «, linkerhand die breitgelagerte
ockerfarbene Zwerchgiebelfassade
der Taferne, mit der Sonnenuhr
an der Hauswand und dem gekiesten, schattigen Kastaniengarten
davor.
DIE LAGE ALSO ist so pittoresk wie eh und je – die
Gastronomie allerdings hat wechselhafte Zeiten hinter sich. In
den Neunzigern hatte die Familie Ott das Tafernengebäude
aufwändig und mit viel historischem Gespür sanieren lassen und
über Jahre ein höchst gediegenes Restaurant samt
Hotelzimmern auf
dem Burggelände betrieben. Danach folgten etliche
glücklose
Wirtswechsel, mit dem Renommé von Küche und Beherbergung
ging es
kontinuierlich bergab, bis zur Insolvenz 2013. Nun, so hörte man,
sei endlich wieder ein kongeniales Pächterpaar für diese bildschöne
und geschichtsträchtige Örtlichkeit gefunden. Neugierig tritt man
durch die grünweiße Kassettentür, vorbei am barocken Relief eines
bizarren Fischmonsters mit spitzzähnigem Raubtiergebiss.
Nach zwei Stunden, und nach dem schwelgerischen »Schmankerlmenü«
des Hauses, steht man wieder vor diesem steinernen Fisch, zusammen
mit Wirt und Koch Klaus Eglseder, dem man nur gratulieren kann zu
seinen Küchentaten. Allein dieses Basilikum-Sorbet, tiefgrün und von
intensiver Würze und kühler Frische! Die zarte
Tafelspitz-Sülze mit Kernöl-Vinaigrette und Wachteleiern – ebenso ein Gedicht wie das
Pilz-Spargelgröstl zum Rinderfilet, die Mousse aus Tonkabohnen und
weißer Schokolade auf Rhabarber-Erdbeersalat. Mit dem 35-jährigen
Vilshofener und seiner Lebensgefährtin Andrea Ortner hat die
Neuburg endlich wieder ein Team, das sie
verdient: junge,
professionelle Könner, die sich mit viel Verve und Liebesmüh in
die Aufgabe gestürzt haben, die alten Gemäuer gastronomisch
neu zu beleben.
SCHULD WAR EINE Katastrophe: das letzte
Passauer Hochwasser, das die letzte, sehr populäre
Wirkungsstätte
der beiden, das Restaurant von Schloss Ort an der Mündungsspitze
vom Inn in die Donau, meterhoch unter schlammige Wasser
setzte. Von den städtischen Flussniederungen
zogen sie auf die
Anhöhen der Neuburg – und zogen ihr anhängliches Stammpublikum
gleich mit. Klaus Eglseder und Andrea Ortner lieben
historische Baulichkeiten mit Charakter, ein
08/15-Etablissement
hätten sie niemals gepachtet. Sie haben die weitläufig
verschachtelten Räume der Hoftaferne mit ihren alten Wölbungen,
den Bohlendecken und den knarzigen Dielenböden
gelassen, wie
sie waren – die Gaststube mit den Umlaufbänken, der tiefen
Fensternische und dem Lüsterweiberl an der dunklen Decke, das
urige »Künstlerzimmer« mit dem grünen Kachelofen
und dem
Wandschmuck einer Künstlervereinigung des frühen 20.
Jahrhunderts, der patinierten ochsenblutfarbenen Vertäfelung.
Vorsichtig haben sie etwas modernen Designertouch
addiert,
nachdem sie mit Freunden erstmal tagelang »entrümpelt und
entmüllt« hatten: die klassisch-modernen Lederarmstühle, die
gestärkten Tischdecken und Servietten, die weißen
Blumenarrangements und Sträuße fügen sich sehr
schön in die
historischen Stuben. Was sie hier mit einem
jungen freundlichen
Serviceteam bieten, hat einen regelrechten Ansturm ausgelöst:
eine kreative Küche, die vom Bodenständigen und besten
Grundstoffen ausgehend, phantasievoll und geschmacksintensiv
ist,
dazu ausgezeichnete Weine. »Wenn ich nicht kochen darf, bin ich
nur ein halber Mensch« – man glaubt Klaus Eglseder aufs
Wort. Die raffinierten Menüs und À-la-carte- Gerichte – alle sechs Wochen
wechselt die Karte saisonal – haben ihren gerechtfertigten Preis,
aber auch enpassant- Gäste, die im Biergarten mit Burgtürmeblick
nur einen »sauer marinierten Bergkäs mit Kernöl und Zwiebeln«,
Rindfleischsalat oder »Dreierlei Brotaufstriche« brotzeiten
wollen, sind natürlich willkommen.
ZUR HOFTAFERNE GEHÖRT aber
auch die ganze Neuburg. Einige Räume sind von der Universität
Passau und der Landkreisgalerie belegt, der Rest wird von der
Taferne »bespielt«. Man muss Klaus Eglseder auf
einem Rundgang
folgen, um die Begeisterung des jungen Wirts für die
imposante
und wildromantische Anlage, über Jahrhunderte gewachsen,
und ihre
große Historie nachzufühlen. Vom reizenden Barockgärtlein mit
seiner muschel- und tuffsteininkrustierten Grotte und den
Zwergerlfiguren nach Callot-Stichen, Rest einer riesigen
Gartenanlage des 17. Jahrhunderts und heute für Sektempfänge
beliebt, geht es in die Vorburg mit ihren mächtigen Türmen,
hier
kann man in der Mälzerei und einem anderen Wirtschaftsbau auch
komfortabel übernachten. Über eine Hochbrücke,
mit wunderbarem
Tiefblick auf den Inn und ins österreichische Land
hinein,
betritt man beim Bergfried den Bereich der Hauptburg. Eine
schöne
Arkadentreppe, ein barockes Sonnenuhrfresko, bemooste Mauern,
ein alter Steinbrunnen – auch hier kann von Tafernengästen gefeiert oder
gehochzeitet werden, mit Landschaftspanorama von den Südbastionen.
Unvergesslich dürften solche Festlichkeiten in den »Marmorsälen«
sein: einzigartig erhaltenen Renaissanceräumen mit prächtigen
Akanthus- Deckenmalereien, reichem Terracotta-Zierat und
illuionistischen Landschaftsmalereien im »Grünen Salettl«. Zum
Schluss zeigt Klaus Eglseder seinen »Lieblingsort«: den Söller
vorm hochgelegenen Rittersaal der Neuburg. Und wie er da steht,
in seiner braunen Küchenchefjacke, gewissermaßen »auf seines
Daches Zinnen (…) mit vergnügten Sinnen« und über die Innenge,
den großen Neuburger Laubwald bis zur fernen
Alpenkette weist, da
hat er durchaus was von einem stolzen Burgherrn.
Und als sein
heutiger Gast kann man nur hoffen, dass dieser bayerischbürgerliche
Vilshofener Koch der Neuburg erhalten bleibt – möglichst so
lange
wie die Grafen von Vornbach, von Salm, von Sinzendorf, und wie
die wechselnden adeligen Burgherrschaften alle hießen.
Text: Renate Just
Fotos mit freundlicher Genehmigung von
Klaus Eglseer (Werbeagentur Hauer-Heinrich GmbH)