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Gasthof Schweiger
Am 29. März 1867 richtete die Krämers-Witwe Kreszenz Hohenleitner an die »wohllöbliche Gemeindeverwaltung Fronreite« – zu welcher Landgemeinde die Wies damals gehörte – ein »gehorsames Gesuch um Genehmigung zu einer Kaffe Schenke nach Wies in ihrer Behausung Haus Nr. 15.« Als wichtige Gründe dafür nennt sie, dass sie seit mehreren Jahren Witwe sei und zwar »das würdige Gewerbe eines Wallfahrts-Krämers inne habe, dieses sich jedoch eigentlich nur auf den geringfügigen Verschleiß von Bildchen, Rosenkränzen und anderen kleinlichen Wallfahrtsgegenständen« beschränke und als ausreichend zum Unterhalt der häuslichen Bedürfnisse, als auch der Bestreitung von Steuer- und anderen Abgaben nicht bezeichnet werden könne«. Auch habe sie auch das Recht, »Zuker und Kaffe in Natura zu verkaufen, was ihr jedoch wenig nutzt, da es nicht denkbar ist: das Wallfahrer derley Dinge bey mir einkaufen um sie mit sich herumzuschleppen – da sie es hier nicht kochen und mithin nicht genisen können«. Wenn man ihr aber nun gestatten würde, »dass ich meinen Zucker und Kaffe in gekochtem Zustande an die vielen Wallfahrer u.s.w. verabreichen dürfte«, würde das ihre persönlichen Sorgen lindern und hätte zudem weitere positive Auswirkungen: Das einzige in der Wies bestehende Wirtshaus könne an Festtagen, an denen sich 3 000-4 000 Menschen im Ort befinden, die Versorgung der Menschenmassen nicht leisten, zudem schenke man dort keinen Kaffee aus, »aber jetz will die meiste Bevölkerung geradezu Kaffe als Früstük. Man ist nun einmal auf dieses edle, aromatische, Körper und Geist erwärmendes und stärkendes Getränk gewöhnt; und man entbehrt es um so härter auf Reisen und im nüchtern Zustande, in welchem, in der Regel - die Wallfahrts-Orts-Besucher, zur Verrichtung der Bußsakramente hieher kommen.«
Will man den Pilgern denn zumuten, »sie sollen in nüchtern Magen Bier einschlierfen! Das erträgt nicht jede Natur, will sich nicht jeder dazu bequemen, namenthl. nicht das weibliche Geschlecht; es möchte etwas Warmes – Kaffe und an einem Platz – an welchem es nicht dem aromatischen Geruch des Bieres sowohl als der lästigen Biersäufer untermengt sein möchte.« Daher ist eine Kaffe Schenke in ihrem Haus in unmittelbarer Nähe der Kirche eine gute Lösung der oben angezeigten Probleme, ganz zu schweigen von dem zusätzlichen Nutzen, »dass jedes Individium, das durch die weite Hieher-Reise, als in Folge des oft so langen Nüchternbleiben-Müssens erschöpft, oder durch Üblichkeiten etc. – welches in Wallfahrtskirchen so oft vorkommt – umfällt, u. mit einer stärkenden Kaffe neu belebt werden könne, welches bey der weiten Entlegenheit des Wirtshauses geradezu unmöglich wird. Ferner: einer Entsittlichung – durch Verabreichung nichtberauschender Getränke – kein Spielraum gebothen wird. Achtungsvollst! beharret Der Verehrlichen Gemeindeverwaltung! gehorsame: Kreszens Hohenleitner Krämers-Witwe.«
Da drohte nun der damaligen Wieswirtin Amalie Pfeiffer – auch sie eine Wittfrau – ernste Konkurrenz, denn sie war im Besitz der wohl schon um 1740 durch das Kloster Steingaden an den Wiesbauern Johann Martin Lori und seine Frau läsMaria erteilten einzigen Wirtsgerechtsame zum Betrieb einer Gaststätte in der Wies. Die Wies-Wirtin Pfeiffer erhob also gleich am 9. April 1867 Einspruch gegen das Gesuch der Lädele-Besitzerin Hohenleitner, versäumte auch nicht zu erwähnen, »dass diejenigen Gäste, welche in der Behausung d. Kramerswittwe untergebracht werden können, sämtl. in meiner Behausung noch Platz finden; wenn alle meine Lokalitäten voll von Gästen überfüllt sind«, ferner ihr alle Gäste willkommen seien und sich »von denselben auch keiner beklagen können wird über Knieslichkeit, Bedienung und anderes« und dass die Krämerswitwe ihr schon seit Jahren »durch Bierschenke etc. trotz einmaliger gerichtlicher Bestrafung« ins Handwerk pfusche.
Prompt weist die Gemeinde das Gesuch unterm 14. April ab und bittet das königliche Bezirksamt Schongau um einen entsprechenden Beschluss, den dieses am 16. April kostenpflichtig (1 Gulden, 31 1/2 Kreuzer) erlässt. Nachdem man diesen Beschluss am 25. April dem Sohn Xaver – die Witwe war erkrankt – Hohenleitner eröffnet hatte, kam es aber zu mündlichen Nachverhandlungen, sodass der Ortsvorsteher Zeller von Fronreuten am 13. Juni 1867 salomonisch den Bescheid ergehen lässt, dass an den Hauptfesten des dortigen Wallfahrtsortes doch eine große Anzahl von Wallfahrern nach Wies kommen. Er erlaubt, »daß an den genannten Tagen der dortigen Wirthschaft kein Nachtheil erwächst, wenn daselbst in der Behausung der Krämerswitwe Kreszenz Hohenleitner, Kaffee verabreicht wird. Zur Bier und Speise Verabreichung an diesen Tagen und zur Kaffeeschenke außer genannten Tagen ist keine Nothwendigkeit vorhanden«. Als Hauptfeste werden aufgelistet: der schmerzhafte Freitag, das Josephus-Fest, der Ostermontag, der Pfingstmontag, das Jakobi-Fest, das Titular-Fest und das Schutzengel-Fest.
Natürlich kam es so, wie die Wieswirtswitwe Pfeiffer befürchtet hatte: Der Kaffeeausschank im Lädele der Kramerswitwe Hohenleitner weitete sich hinsichtlich Öffnungszeiten und Verzehrsangebot stetig aus und so gab es bald eine zweite Gaststätte in der Wies. Beide bestehen noch heute: der Ladewirt als Gasthof Schweiger, der Wieswirt als Gasthof Moser. In beiden bekommt man einen anständigen Kaffee – beim Schweiger übrigens auch ein umfangreiches Angebot an Tees – und ein gepf legtes Bier. Bei den Speisen setzen beide Häuser erfolgreich auf gediegene Kost auf der Basis von Produkten der Region. Ein breites Angebot an hausgemachten Dampfnudeln, Strudeln und Kuchen lässt keine Wünsche unerfüllt und beim Schweiger - gleich beim Kircheneingang gelegen, gibt es an Wochenenden und Hauptwallfahrtstagen einen Stand mit frischen Schmalznudeln – früher hat man Aus’zogne dazu gesagt – zur Freude der immer noch zahlreichen Wallfahrer, Welterbepilger und Ausflügler, über 1 Million im Jahr.
Der alte Wieswirt, heute Gasthof Moser, ist im Jahr 1900 abgebrannt, wurde größer und schöner wieder aufgebaut und ist seit 1907 im Familienbesitz. Von der alten Ausstattung hat sich nichts erhalten, aber das Platzangebot drinnen und draußen ist großzügig, das Ambiente freundlich und hell.
Das gilt auch für den Gasthof Schweiger, der freilich noch im ehemaligen Wohnhaus des Wieswirts Franz Dominikus Zimmermann, dem Sohn des Baumeisters Dominikus Zimmermann, der hier seinen Lebensabend verbrachte, untergebracht ist. Der Franz Dominikus hatte am 9. Februar 1750 die Witwe Maria Lory(i) geheiratet und war damit auch in den Besitz der Wirts-, Bäckers-, Metzgersund Krämerskonzession in der Wies gekommen. Der Bau ist 1750 als Wohnhaus mit Laden unmittelbar nordwestlich der Wallfahrtskirche als zweigeschossiger Rechtecksbau mit Walmdach errichtet worden, dessen reiche Fassadengliederung durch große Pilaster und Fensterrahmungen später mehrfach erneuert worden ist, zuletzt – betreut durch das Landesamt für Denkmalpflege – im Jahr 2008. Der Kleinräumigkeit im Inneren merkt man auf charmante Weise noch den ursprünglichen Zweck als Wohnhaus und »Lädele« an.
Text: Michael Henker