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Gasthof Gentner
Schon die Anreise ist Genuss und Privileg in einem. Weil die Wege nach Spielberg (Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen) durch hinreißende Landschaften führen: über den hügeligen Hahnenkamm von Südosten, aus dem offen-weiten Grund der Altmühl von Norden, durch das angenehm wechselvolle Tal der Wörnitz von Westen. Als Besucher des Gasthofs Gentner in Spielberg wird man somit beim Ankommen bereits eingestimmt auf etwas Besonderes, nicht Alltägliches, auf Franken außerhalb von Prospekt, Fachwerkklischee und Mainseligkeit; und diese Stimmung setzt sich mit dem Betreten des Wirtshauses fort: von außen ein massiver, verputzter Steinbau – errichtet 1672, im Jahr 1858 in seine jetzige Form gebracht, umgeben von Wirtschaftsgebäuden, von denen insbesondere das Brauhaus von 1854 Erwähnung verdient.
Innen haben die Besitzer das denkmalgeschützte Gebäude weitgehend belassen; die historische Raumaufteilung ist klar ablesbar. Was dagegen neu werden musste, ist rücksichtsvoll, dennoch mit einer offensichtlich bewussten Entscheidung für moderne Gestaltung, verjüngt worden. Der 2005 an die Familie Gentner, seit 120 Jahren im Besitz von Haus und Hof, verliehene Denkmalpreis der Hypo-Kulturstiftung hat die Richtigen erreicht.
Die behaglichen Speiseräume in ihren warmen Farben haben mich schon 2005 bei der Einweihung nach der Renovierung zum Wiederkommen eingeladen. Eingerichtet sind sie mit Mobiliar, wie es einer guten und traditionell ausgerichteten Dorfwirtschaft gut ansteht. Die freundliche Umgebung weckt schon beim Eintreten die Lust auf längeres Bleiben. Dafür bieten die Zimmer im ersten Stock und im Dachgeschoß gute Gelegenheit. Vom Doppelzimmer bis zum Appartement sind alle Größen vertreten und laden dazu ein, wahrhaft entspannte wie entspannende Tage in der Gegend zu verbringen. Wem die immer gleichen Normunterkünfte in standardisierten Hotels zum Hals heraus wachsen, der findet hier das genaue Gegenteil: Holzfußböden, ausgesuchte historische Möbel und – besonders wohltuend – die überall spürbare persönliche Atmosphäre im Haus, die dem Besucher von Wirtsleuten in des Wortes bestem Sinn bereitet wird. Wo sonst noch erkennt die Wirtin unsereinen als Gast wieder, der – wohlgemerkt – drei Jahre vorher ein einziges Mal da war und erinnert sich sogar noch an das damalige Gesprächsthema? Bei Walburga Gentner in Spielberg ist mir diese höchst erfreuliche Erfahrung von Wertschätzung jedenfalls zuteil geworden und ich habe sie ebenso genossen wie die Küche, von der natürlich auch, ja gerade, die Rede sein soll.
Fränkische Grundlage mit hervorragend dazu passenden mediterranen Zügen, so könnte die Charakterisierung der Speisekarte lauten. Der Gasthof versorgt sich mit den Zutaten für seine Küche konsequent bei regionalen Vermarktern, ist förderndes Mitglied bei Slow Food Deutschland e.V. und aktiv beim Regionalbuffet Franken, für das die Frische und die kurzen zurückgelegten Wege seiner Produkte erstes Gebot sind. Die Kulturlandschaft dankt!
Diese Grundeinstellung wurde meiner Frau und mir bei unserem kürzlichen Besuch auf köstlichste Weise vermittelt. Dabei macht selbst das gerichtemäßig elegant zurückhaltende Angebot der Gentnerschen Speisekarte und des Küchenchefs Oliver Marschall die Wahl schwer: Wer kann schon leichten Herzens entscheiden zwischen Salaten mit marinierten Selleriescheiben und Kürbis-Orangensuppe mit Schinken und Dörrzwetschgen, ohne mit der Wahl einer dieser Vorspeisen die Versäumnis der anderen zu bedauern? Da riskieren wir beiden neugierigen Esser halt den Vorwurf der Stillosigkeit, bestellen beides und probieren voneinander. Das Ergebnis: Jedes der Gerichte ist hoch zu empfehlen, ebenso die beiden Nachspeisen, als Tagesdessert eine Bayerische Creme im Glas, von der Karte die Weiße Schokoladenmousse mit verschiedenen Fruchtragouts, alle zwei äußerst wohlabgewogene Kompositionen aus Frische und Süße und insbesondere der Hauptgang, Filetspitzen mit Spätzle und das Kalbssteak mit einem derart knackigen und wohlschmeckenden Wirsinggemüse, dass man ihm noch am Tisch eine Hymne singen möchte; wir haben dies dann doch erst später im Auto bei der Rückfahrt getan.
Text und Fotos: Martin Wölzmüller