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Gasthof zum Goldenen Löwen
Allzu oft wird es nicht vorkommen, dass der Wirt eines Feinschmeckerlokals im Zuge einer lokalen Kunsthandwerkermesse eine literarische Matinee veranstaltet und zur Erreichung dieses Ziels auch noch den Lesenden aus dem 38 km entfernten Bett holt. Die Geschichte stimmt auch nicht ganz, ist aber eine schöne, inzwischen 23 Jahre alte Legende, zufällig war der angeblich Säumige der Autor dieser Zeilen – die Lesung fand aber noch rechtzeitig und ordentlich statt, im Wirtshausinnenhof und mit Jazzmusik; und sie war und ist seit dieser Frühzeit beileibe nicht die einzige, die Richard Luber, der Chef und Spiritus semisanctus des Kallmünzer »Goldenen Löwen«, angezettelt und durchgepeitscht hat.
Primär dient der »Goldene Löwe« im Ortskern der »Perle des Naabtals« – andere sprechen gleich, auch nicht verkehrt, von der »Perle Bayerns« – freilich noch mehr der schönen, künstlerischen und manchmal richtig perlenden Gastlichkeit; für alle und für fast alle Zwecke. Für Geburtstage, Hochzeiten, Silberne und Eiserne Ehejubiläen, für größere Betriebsfeiern bis hin zum Betriebsnudelpreisauflauf eines vielleicht allzu schöngeistigen München-Offenburger Großverlegers. Richard Luber und seine (in jeder Hinsicht) prima inter pares, die Gemahlin Waltraud, stecken so gut wie alles mit philosophischem Gleichmut und allzeit möglichst optimaler Gästebefriedigungsperfektion weg.
Geheiratet haben die Kallmünzerin und der Schwandorfer zwar in Altötting, kennen gelernt sich aber unter der hochpittoresken Kallmünzer Burgruine und dort auch 1980 die als bloße Bauern- und Bierwirtschaft (die Halbe: 1,40 Mark) für Grattler und Junggrattler vor sich hin rumpelnde Lokalität schon des heutigen Namens »übernommen«, als den stark bröckelnden Besitz von Waltrauds Mutter – es dauerte dann noch, ehe das heutige Schmuckstück daraus wurde, ohne dass aber gar nicht zu viel umstrukturiert hätte werden müssen. Und es dauerte, bis die zwei Ehepaarhälften ihre Eignung und Neigung am richtigen Ort gefunden hatten. Sie, die Ex-Kunststudentin, kochte, fühlte sich aber nicht recht wohl dabei, bis sie endlich ihrer Bestimmung als Wirtin, vom allgemeinen Management bis zur kalligrafischen Gestaltung der Speisekarte, inne ward. Er, der gelernte Kindergärtner und Sozialarbeiter, fühlte sich überkreuz als Wirt eher kreuzweis unglücklich, um deshalb nach dreimonatigem Praktikum von 0 auf 100 sein Genie als Koch zu entdecken. Womit es aber für den Richard nicht getan war. Spürte er in sich doch auch den kleinen Napoleon an friedlicher Eroberung und machte am Ort auch noch ein Zweitlokal »Bürstenbinder« sowie ein Edelcafé auf. Und im Hinterhof eine teilprofessionell betriebene Schnaps- und Bierfabrikation (Dunkles und dunkles Weizen).
Wie einst Midas wurde dem Richard alles, was er anfasste, zu Gold oder wenigstens zum Ruhm – ein Aktivist, aber keineswegs der befürchtbare G’schaftlhuber. Inzwischen lässt man es, auch biologisch bedingt, wieder etwas langsamer laufen: Die eine Tochter soll die Übernahme garantieren – die andere steht mehr für den kallmünzsignifikanten Kunstbezug ein, der vor allem auf Kandinsky und sein g’schlampertes Lebensverhältnis Gabriele Münter und beider Kallmünzer Absteige »Rote Amsel« zurückgeht. Und heute auch noch die Spur hinterlassen hat, dass Richard Luber seitwärts seiner Kunstausstellungen im Haus jeweils für den Sommer freihändig Künstlerstipendien resp. »Freiplätze« (Logis, Essen und 1 Maß Bier pro Tag) vergibt.
Der »Goldene Löwe« ist ein üppig bauernhofähnliches Anwesen mit Hof und scheunenartigen Rückgebäudlichkeiten, seit einiger Zeit hat es dort auch etliche Luxus-Logien zum Volkstumspreis. Speziell zum Frühjahr-Sommer hinaus ist das Ganze ein ziemlich paradiesnaher locus amoenus, ein Inbild von Romantik und Idylle außerhalb – innen schimmert alles von durchaus erträglicher Rustikalität. Keine antiken Wagenräder an der Wand dienen dem Auge zur Pein, sondern angenehm macht sich vor allem schöne alte und betont verstaubte Schwarzweiß-Photographierkunst.
Ein Stamm des Publikums kommt aus Regensburg und München und zählt unleugbar zum neueren Geldadel der maßvoll sich aufführenden Schicki-Art. Und zu teuer ist die gutbürgerliche Küche in Kallmünz von der Forelle über die Fleischstrudel bis zur Entenbrust bestimmt nicht. Sondern »wir kochen wie früher, mit ein wenig mehr Pfiff vielleicht « (Richard Luber) – also im Zeichen unverbrüchlicher Bonität und Oberpfälzer Wohlgesinnung sowieso. Sozusagen obligat als (Zwischen-) Gericht: die mehlnudelig aparten, speckveredelt unwiderstehlichen »Bauchstechala«, die da fast allein eine Anreise hervorlocken.
Text: Eckhard Henscheid
Fotos: Ludwig Bäuml