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"Machtergreifung"
Der Rücktritt Helds und die gesetzlichen Maßnahmen der
Nationalsozialisten, voran die Gesetze zur Gleichschaltung der Länder
mit dem Reich vom 31. März und 7. April 1933, markieren die
sogenannte Machtergreifung in Bayern und das Ende einer selbständigen
Landespolitik. Bayern blieb als Verwaltungseinheit bestehen, wenn
sich auch die Beziehungen zwischen dem rechtsrheinischen Bayern
und dem Regierungsbezirk Pfalz lockerten. Die Parteien mußten
sich wie überall in Deutschland auflösen oder wurden wie
die SPD verboten, die Verbände "gleichgeschaltet".
Ihre führenden Mitglieder flohen ins Ausland oder wurden in
Dachau interniert. Gesellschaftliche und religiöse Minderheiten
wurden systematisch entrechtet, voran die bayerischen Juden, die
schon vor 1933 in Bayern in ihren Grundrechten eingeschränkt
worden waren. Zwar existierte zunächst unter General Franz
Xaver Ritter von Epp und schließlich unter dem am 12. April
1933 ernannten Ministerpräsidenten Siebert noch eine "Landesregierung";
sie hatte jedoch nur Verwaltungsaufgaben und war personell und organisatorisch
abhängig von teilweise konkurrierenden Organisationen der NSDAP.
Nach dem Tod Sieberts am 1. November 1944 wurde kein Nachfolger
ernannt. Das Staatsministerium des Inneren und das Staatsministerium
für Unterricht und Kultus unterstanden bis zu dessen Tod am
12. April 1944 dem Gauleiter für München-Oberbayern Adolf
Wagner. Unter seinem Nachfolger Paul Giesler wurden die Reste bayerischer
Ministerien einem "Zentralministerium" untergeordnet.
Bayern im NS-Staat
Nach außen hin wurde Bayern jedoch von den Nationalsozialisten
eine besondere Rolle zugewiesen: München wurde zur "Hauptstadt
der Bewegung" ernannt, Nürnberg zum ständigen Sitz
der Reichsparteitage erklärt. Die Nationalsozialisten verabschiedeten
hier 1935 die "Nürnberger Gesetze", die die systematische
Durchführung nationalsozialistischer "Rassenpolitik"
einleiteten. Bayern mußte eine Art Vorreiterrolle für
die Maßnahmen des NS-Staates übernehmen. 1933 entstand
in Dachau das erste Konzentrationslager, die Synagogen in München
und Nürnberg waren bereits Monate vor der sogenannten "Reichskristallnacht"
im November 1938 zerstört worden.
Obwohl die NSDAP bei den Landtagswahlen am 24. April 1932 keine
Mehrheit erreichen konnte und auch bei den Reichstagswahlen vom
5. März 1933 zusammen mit der DNVP mit 47% der Stimmen unter
dem im Reich erzielten Gewinnanteil von 51% blieb, ist die Geschichte
Bayerns mit der des Nationalsozialismus nicht zuletzt dadurch verbunden,
daß führende Vertreter der "Bewegung" aus Bayern
stammten. Der Münchner Ernst Röhm, der in der Zeit nach
dem Ersten Weltkrieg bayerische Einwohnerwehren und andere paramilitärische
Organisationen mit Waffen versorgt hatte, reorganisierte nach dem
Hitlerputsch die SA. Als er nach der "Machtergreifung"
versuchte, die Interessen der SA im NS-Staat durchzusetzen, ließ
Hitler ihn und die gesamte Führung der SA-Opposition beseitigen.
Ein anderer prominenter Vertreter der NSDAP war der in der Nähe
Augsburgs geborene Julius Streicher. Nach der Reorganisation der
NSDAP wurde Streicher im April 1924 zum Gauleiter Frankens ernannt,
das er zu einem der mitgliederstärksten Gebiete der "Partei"
ausbauen konnte. Mit seiner antisemitischen Wochenzeitschrift "Der
Stürmer" zählte er zu den Anstiftern am Mord von
6 Millionen Juden. In diese Reihe aus Bayern stammender NS-"Größen"
gehören auch Hermann Göring und Heinrich Himmler. Unter
Görings Verantwortung erfolgte zunächst in Preußen
die stufenweise nationalsozialistische Durchdringung des Polizeiapparates,
die Gründung der Geheimen Staatspolizei und anderer Sondereinheiten,
die Errichtung von Konzentrationslagern und die polizeilichen Maßnahmen
zur Gleichschaltung des gesamten öffentlichen Lebens. Unter
der Leitung des Reichsführers der SS, Himmler, wurde auf Befehl
Hitlers seit 1941 die planmäßige Ermordung der jüdischen
Bevölkerung und der vom NS-Regime als "rassisch minderwertig"
gekennzeichneten Menschen betrieben.
Widerstand
Widerstand gegen die nationalsozialistische Politik beschränkte
sich vor allem auf das Handeln einzelner und einiger Gruppierungen.
Am bekanntesten ist wohl die "Weiße Rose". Breiteren
organisierten Widerstand leisteten nicht zuletzt Kommunisten und
Sozialisten, die in Kleingruppen mit Hilfe von Flugblättern
über den wahren Charakter des Regimes informierten, mit emigrierten
Genossen Kontakt aufnahmen und begannen, im Untergrund gegen den
Nationalsozialismus tätig zu werden. Diesen Bemühungen
blieb wie dem monarchisch oder religiös begründeten Widerstand
der politische Erfolg versagt.
(Wolf Weigand)
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