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Bayern als "Ordnungszelle" des
Reichs
Der Kapp-Putsch war ein Versuch militanter
Kräfte der radikalen Rechten, die Regierungsgewalt in Deutschland
zu übernehmen. Er bewog Ministerpräsident Hoffmann zum
Rücktritt. Als neuer Ministerpräsident wurde Gustav Ritter
von Kahr bestellt. Kahr war als Monarchist bestrebt, mit allen Mitteln
die vor 1918 herrschenden Verhältnisse wiederherzustellen und
Bayern zu einer "Ordnungszelle" des Reichs zu formen.
Die die Reichsverfassung ablehnende und
die politische Rechte begünstigende Politik Bayerns blieb auch
nach dem Rücktritt Kahrs bestehen. Vor allem München wurde
in jenen Jahren Zentrum extremer nationalistischer Agitationen.
Hier konnten rassistische und nationalistische Organisationen, die
schon vor dem Ersten Weltkrieg entstanden waren, gedeihen. Nicht
zuletzt auf diesen Grundlagen baute Adolf Hitler auf: Aus der Deutschen
Arbeiterpartei formierte er die Nationalsozialistische Deutsche
Arbeiterpartei (NSDAP), für deren Parteiprogramm, das am 24.
Februar 1920 verkündet wurde, er verantwortlich zeichnete.
Das Krisenjahr der Weimarer Republik 1923 brachte eine allgemeine
Verschärfung der politischen Lage im Reich.
Hitlerputsch
Unter diesen Umständen ist der Putschversuch
Hitlers im November 1923 zu sehen. Anlaß gab das Verbot des
Organs der NSDAP, des "Völkischen Beobachters", wegen
seiner Angriffe auf den Reichskanzler und den Chef der Heeresleitung.
Der mit der Durchsetzung betraute General weigerte sich, den Auftrag
auszuführen. Er unterstellte sich vielmehr Gustav Ritter von
Kahr. Dieser war am 26. September 1923 vom Ministerrat zum Generalstaatskommissar
mit nahezu diktatorischen Vollmachten ernannt worden. Das Vorgehen
des Generals bedeutete Rebellion gegen die Reichsregierung, was
Adolf Hitler für seine politischen Ziele auszunutzen suchte.
Am 8. November rief er auf einer Versammlung von Kahrs im Münchner
Bürgerbräukeller die "Nationale Revolution"
aus und erklärte die Reichsregierung für abgesetzt. Begünstigt
durch die bis zu diesem Zeitpunkt opportunistische Haltung von Kahrs
konnte General a. D. Erich Ludendorff, dem Hitler die militärische
Führung bei seinem Umsturzversuch zugedacht hatte, am 9. November
einen Demonstrationszug durch München veranlassen, der allerdings
vor der Feldherrnhalle von der Polizei mit Waffengewalt aufgelöst
wurde. Der Umsturzversuch Hitlers war damit gescheitert. Nach der
Wiedererstehung der NSDAP 1925 wandte sich Hitler einer pseudolegalen
Taktik zu. Von Kahr, der durch die Ereignisse an Ansehen und Einfluß
verloren hatte, trat im Februar 1924 von seinem Amt zurück.
Regierung Held
In den Folgejahren gestaltete sich das
politische Geschehen in Bayern zunächst relativ ruhig. Dies
galt insbesondere für den Anfang der neun Jahre währenden
Regierungszeit des bayerischen Ministerpräsidenten Heinrich
Held. Der Zeitungsverleger Held war Mitbegründer der Bayerischen
Volkspartei. Er wurde am 28. Juni 1924 gewählt und trat am
15. März 1933 von seinem Amt zurück. Held bemühte
sich vor allem darum, die Reichsverfassung zu revidieren, die die
politische Eigenständigkeit Bayerns erheblich einschränkte.
Als Föderalist verwahrte er sich gegen den Staatsstreich Papens
in Preußen. Die Gefahren, die Bayern durch Hitler und die
NSDAP drohten, verkannte er zunächst. Er beteiligte sich aber
an dem Versuch, die Herrschaft Hitlers in Bayern durch die Wiedereinführung
der Monarchie zu verhindern.
Staatliche Stellen Bayerns hatten den Aufstieg Hitlers begünstigt,
bayerische Gerichte milde Urteile gegenüber der politischen
Rechten gefällt - Hitler hatte nach seinem Putschversuch eine
nur sechsmonatige Haft in Landsberg zu verbüßen - und
so das Weiterbestehen und die Ausweitung der nationalsozialistischen
Bewegung mit ermöglicht.
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