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Bayern
im Deutschen Reich
Bayern behielt im neuen deutschen Reich nicht nur seine Kultur-
und Steuerhoheit, sondern auch eine Reihe von "Reservatrechten".
Dennoch konnte an der Vormachtstellung Preußens im Kaiserreich
kein Zweifel bestehen. Der Einfluß Bismarcks auf die bayerische
Politik war deshalb besonders groß, weil König Ludwig
II. politisch nahezu völlig ausfiel und die Macht sich auf
liberale Minister und eine überwiegend preußenfreundliche
hohe Bürokratie verlagerte.
Trotz des Kampfes gegen die Kirche, des sogenannten Kulturkampfes,
blieb die katholisch-klerikale Patriotenpartei führende Kraft
im Landtag. Das Sozialistengesetz von 1878 konnte auch in Bayern
den Aufstieg der Sozialdemokraten nicht verhindern: 1887 eroberten
sie in Nürnberg den ersten bayerischen Wahlkreis für den
Reichstag, 1893 zogen sie erstmals, und zwar bereits mit zwölf
Abgeordneten, in den bayerischen Landtag ein. Gleichzeitig wuchs
die Macht der organisierten Verbände, etwa der Gewerkschaften,
des Bayerischen Bauernbundes und der christlichen Bauern- und Arbeitervereine.
Prinzregent Luitpold (1886-1912) erwarb sich als volkstümlicher
Landesvater solches Ansehen, daß er bis heute als der Repräsentant
der "guten alten Zeit" in Bayern gilt. Dennoch sind vor
allem politische Stagnation und Immobilität der politischen
Führungsschichten kennzeichnend für diese Epoche.
Durch ein Wahlbündnis zwischen Bayerischem Zentrum, wie sich
die Patriotenpartei seit 1887 nannte, und SPD wurde 1906 endlich
das bayerische Wahlrecht liberalisiert und damit an das des Reichstages
angepaßt.
1912 starb der Prinzregent. Sein ältester Sohn folgte ihm zunächst
in der Regentschaft, ließ sich aber schon im Folgejahr durch
eine Verfassungsänderung zum König erklären. Dieser
Vorgang war dem Ansehen der Monarchie abträglich und verstärkte
den Prozeß einer fortschreitenden Autoritätskrise. Im
1. Weltkrieg stieß zudem die militante und preußenfreundliche
Haltung Ludwigs III. (1912-1918) auf Widerspruch, vor allem als
die Kriegslage immer schlechter wurde. Die Feindseligkeit gegen
Preußen und das Reich, die man als militaristisch und ausbeuterisch
geißelte, richtete sich zugleich gegen die Staatsform der
Monarchie.
Ein SPD-Antrag vom September 1917, der
die längst fällige Parlamentarisierung Bayerns forderte,
wurde abgelehnt. Erst am 2. November 1918 kam es zu einem entsprechenden
Abkommen zwischen Regierung und Landtagsparteien. Am 7. November
wurde die neue Ministerliste veröffentlicht. Am 6. November
hatte die 2. Kammer zugestimmt, am 8. November sollte die 1. Kammer
den Gesetzesentwurf billigen.
Revolution in München und Ende
der Bayerischen Monarchie
Die Ereignisse vom 7. November jedoch überrollten alle Pläne
der amtierenden Regierung. Nach einer Wahlkundgebung auf der Münchner
Theresienwiese stürzte Kurt Eisner, der Führer der USPD,
in einer spontanen Aktion die Monarchie in Bayern. Der Widerstand
war nicht nennenswert; zu tief und zu weit hatte die lange schwelende
Autoritätskrise bereits gegriffen. Am Morgen des 8. November
1918 konnten die überraschten Bürger Münchens auf
Plakaten lesen: "Bayern ist fortan ein Freistaat".
(Manfred Treml)
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