"...wider Laster und Sünde" - Augsburgs Weg in der Reformation | |
Ausstellung des Hauses der
Bayerischen Geschichte in Augsburg, St. Anna, vom 26. April bis 10. August 1997 |
Ablaßhandel |
Da das Ablaßwesen
am Anfang des 16. Jahrhunderts exzessive Formen annahm und deshalb zu einem
wesentlichen Auslöser der Reformation wurde, sollte ihm zu Beginn des
Rundgangs besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Ausgangs- und Hauptpunkt
kann dabei die Ablaßkiste (Kat. 3) sein, während auf die weiteren
Exponate evtl. nur hinzuweisen ist.
Die meisten Schülerinnen und Schüler werden den Begriff "Ablaß" kennen, müssen aber über seine genauere Bedeutung sicher erst informiert werden. Ursprünglich meinte er den Erlaß von schweren Bußübungen, den die kirchliche Autorität aus dem von Christus und den Heiligen angesammelten Gnadenschatz gewährten konnte, sofern der Sünder in der Beichte bereut und gute Werke gegenüber den Armen oder der Kirche vollbracht hatte. Im Spätmittelalter - einer Epoche gesteigerter Frömmigkeit, zugleich gesteigerter Angst um das Seelenheil - entwickelte sich die Vorstellung, daß auch Fegefeuerstrafen, die man zeitlich 'berechnete', gegen Vollzug religiöser Handlungen und/oder gegen Zahlungen für kirchliche Zwecke ganz oder teilweise von Papst, Kardinälen (bis 100 Tage) und Bischöfen (bis 40 Tage) erlassen werden könnten. Auch wenn nicht bei allen Ablaßzusagen materielle Vorbedingungen genannt wurden - der Brief des Kardinal Lang (vgl. Kat. 1) verspricht Ablaß für Gebetsdienste -, setzte sich das fiskalische Interesse doch immer mehr durch und siegte schließlich vollständig, als Papst Leo X. im März 1515 den Ablaß zugunsten des Petersdoms verkündete. Dahinter stand das Dreiecksgeschäft zwischen Papst, Fuggern und Albrecht von Brandenburg, der unrechtmäßig drei Bistümer erhalten hatte, deshalb horrende Verpflichtungen gegenüber der Kurie bzw. seinem Geldgeber Fugger besaß und diese nun - als päpstlicher Ablaßkommissar - durch seinen fünfzigprozentigen Anteil an den erhandelten Geldern erledigen wollte. Hunderte von Predigern bzw. Händlern (vgl. Kat. 4) verkauften die Ablaßzettel, unter ihnen, besonders erfolgreich, der Subkommissar Johannes Tetzel, dem der Spruch nachgesagt wird: "Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt." An der Ablaßkiste (Kat. 3), die Tetzel bei seinen Predigten angeblich zum Sammeln der Einkünfte benutzte und die ursprünglich wohl mit je einem Schloß der drei genannten Parteien versehen war, läßt sich die Perversion des Ablaßwesens um 1517 ebenso sinnfällig machen wie der personelle, politische und finanzielle Filz, dem Luther gegenüberstand, als er sich mit den 95 Thesen gegen die herrschenden Zustände wandte und damit, zunächst ungewollt, die Reformation auslöste. Die Schüler/innen können in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß sich Luthers Kritik nicht nur gegen den Mißbrauch des Ablasses richtete, sondern letztlich gegen dessen Kerngedanken, nach dem Buße und Werke mit dem Seelenheil verrechenbar seien und die Kirche darüber Verfügungsgewalt besitze; Luther hingegen war der Auffassung, das Heil des Menschen sei allein von Gottes Barmherzigkeit abhängig. Daß die Kritik am Ablaßwesen, die es zuvor schon gab, seit dem Auftreten Luthers häufig und in scharfer Form erfolgte, läßt sich am Beispiel der 1520 gedruckten anonymen Flugschrift "On Aplas von Rom kann man wol selig werden durch anzaigung der götlichen hailigen geschryfft" (Kat. 2) thematisieren. Ihr Titelholzschnitt nimmt alle wesentlichen Vorgänge des Ablaßhandels aufs Korn, während sie im eigentlichen Text mit 50 ausgewählten Bibelzitaten die zentrale Aussage der Lutherischen Lehre zu belegen sucht, daß man - statt Rom - allein dem Wort Gottes folgen solle (vgl. Untertitel). |