Siedlungspolitik.
Exemplarisch soll nun anhand des Beispiels
von Böhmen und Mähren die mittelalterliche Deutsche
Ostsiedlung näher erläutert werden. Im Rahmen dieser
mittelalterlichen Ostsiedlung verschob sich das von Angehörigen
der deutschsprachigen Stämme besiedelte Gebiet und viele
Hundert Kilometer nach Osten. Brandenburg,
Mecklenburg, Pommern, Schlesien, das Preußenland, Teile
Großpolens, mehrere Regionen des mittelalterlichen Königreiches
Ungarn (Teile Siebenbürgens und der oberungarischen Berglandlandschaften),
und Teile Böhmens und Mährens wurden meist geschlossen
von Deutschen besiedelt. In der Moldau, dem Königreich
Galizien, in Kleinpolen, etlichen Regionen Ungarns und Böhmens
(besonders in Städten) und dem Baltikum siedelten sich
deutschsprachige
Kolonisten (hier mehrheitlich Adeligem, Kaufleute und Handwerker)
verstreut an. Sie standen in engsten Austausch mit den anderen
Völkern und Sprachgruppen ihres jeweiligen Siedlungsgebietes.
Der lange in der Forschung für diese
Gruppen gebrauchte Begriff der Siedlungsinseln, der im Zeitalter
des Nationalstaatsbildung im 19. Jh. entstand, geht an den tatsächlichen
Lebensumständen der Menschen in diesen Regionen weit vorbei
und sollte nicht mehr verwendet werden. Von einem Zugehörigkeitsgefühl
zu einer "deutschen Mutternation" kann etwa für
die Baltendeutschen, die
Zipser Sachsen und Hauerländer vor dem I: Weltkrieg nicht
die Rede sein, da sich diese Gruppen trotz ihrer deutschen Sprache
und spezifischen Regionalkultur und trotz verschiedener Kontakte
zum Alten Reich und seinen Nachfolgern
an anderen Staatssystemen (Russisches Reich und königreich
Ungarn) orientierten und keine deutsch-nationale
Identitätsform übernahmen. Die Ersten die in dieser
Richtung dachten waren einige Intellektuelle im 19. Jh.
Für die anderen Sprachgruppen und Nationen gilt bis in
das 19. Jahrhundert die gleiche Regel. Die Tschechen betrachteten
sich ebenso als Böhmen und Mährer mit lediglich anderer
Sprache. Konflikte hatten generell bis ins 19. Jh. keine nationalen
Gegensätze als Ursache. Als Beispiele sei die Husittenbewegung
genannt, die weder eine antideutsche
Bewegung im nationalen Sinn war, noch eine national tschechische.
Es gab viele ungarische und deutsche Husiten, und auf der anderen
Seite blieben viele Tschechen auf Seiten des Königs und
der römischen Kirche. Zu nationalen Mythen
Die identitätsstiftend - nationsbildend - wirkten wurden
solche historischen Ereignisse erst im 19. und 20. Jahrhundert.
Zwei andere ahistorische aber im 19. und 20. Jahrhundert weitverbreitete
Mythen aus der deutsch-tschechischen Geschichte seien noch kurz
erwähnt:
Unter Tschechen weitverbreitete Vorstellung vom "Fremdkörper
Deutsche/ Deutsch-Böhmische Bevölkerung
in Böhmen und Mähren". Es sei für die nationale
Entfaltung der tschechischen Nation seit dem mittelalter ein
massives Hindernis gewesen Deutsche als Siedler ins Land kommen
zu lassen. Das ganze sei zudem eine unnatürliche Entwicklung
gewesen.
12. Jh. bis Mitte !4. Jh.: Mittelalterliche Deutsche Ostsiedlung
auch in Böhmen und Mähren. Planmäßige Ansiedlung
von Deutschen. :
Die östlichen Teile Europas waren
im Mittelalter generell dünner besiedelt und weniger intensiv
herrschaftlich erfasst als die westlichen und südlichen
Teile des Kontinents, wobei von fließenden Grenzen auszugehen
ist.
Europa wurde insgesamt zwischen dem 11. und der Mitte des 14.
Jahrhunderts von einem bis dahin unbekannten Bevölkerungswachstum
geprägt. Ursache waren unter anderen neue technische Entwicklungen,
die die potentiellen Ernährungsmöglichkeiten der Menschen
erweiterten (neue Nutzpflanzen, Innovationen im Bereich Fischerei
und Viehzucht). So erklärt Die böhmischen Herzöge
und Könige begannen zwecks Machtsteigerung und Herrschaftsintensivierung
Binnenkolonisation (Landesausbau) zu betreiben. Zu diesem Zweck
waren sie an Anwerbung und Ansiedlung von möglichst `modern`
wirtschaftenden Menschen aus westlichen Ländern interessiert,
die ihren jeweiligen technischen Stand so in ihren neuen Siedlungsorten
verbreiten würden. Diese Siedler wurden mit der Gewährung
von rechtlichen Begünstigungen (Privilegien).
Böhmen erlebte zwischen dem 12. und 14. Jh. den Höhepunkt
seiner ökonomischen und machtpolitischen Entwicklung, an
der deutschen Siedler großen Anteil hatten.
1176 oder 1178 kam es zur Erteilung eines Privilegs des Herzogs
von Böhmen für deutsche Siedler in Prag, dem Zentrum
des wirtschaftlichen Lebens im Herzogtum. Auswärtige Siedler
(oft Kaufleute) gab es in Prag aber schon im 10. und 11. Jh.
Die Mehrzahl der deutschen Siedler in Böhmen und Mähren
wurde aus dem bayerischen, fränkischen, sächsischen
und österreichischen Räumen angeworben, was sich bis
ins 20. Jh. etwa anhand der Dialektalbildung nachprüfen
lässt.
Eine große Zahl von Stadtgründungen durch die deutschen
Kolonisten nach dem `besseren` = moderneren Magdeburger, Regensburger
und Wiener Stadtrechten prägte die Entwicklung Böhmens
und Mährens für Jahrhunderte.
Die deutschen Siedler des 12 Jhs.-14. Jhs. unterschieden sich
von den slavischen (tschechischen) Böhmen in Recht, Sitte
und Gewohnheit, bildeten aber ebenso wenig eine innere Einheit
wie die tschechischen Böhmen und Mährer.
Die Deutschen im inneren des Königreiches Böhmen besiedelten
und prägten vor allem die Städte und Bergbauzentren
wie Kuttenberg, Budweis, Olmütz, Brünn, Iglau, Prag
usw. Vornehmlich bayerische Siedler bevölkerten die Prager
Altstadt im 13. Jh.. und 14. Jahrhundert. Deutsche Bergleute
(Erz- und Silberbergbau; z. B. Kuttenberger Münzprägung)
spielten bei der bereitstzellung der materiellen Ressourcen
für den Aufstieg Böhmens eine zentrale Rolle.
Im ländlichen Raum kam es anders als in Schlesien nicht
zu einer flächendeckenden Besiedlung durch deutsche Siedler,
oder zur Ausformung eines spezifischen deutschen Neustammes
wie in Siebenbürgen, Oberungarn, Schlesien, Pommern, Preußen,
Brandenburg und Mecklenburg. Vornehmlich die zuvor kaum besiedelten
waldigen und gebirgigen
(hügeligen) Randzonen Böhmens und Mährens wurden
durch deutsche Siedler urbar gemacht und aufgesiedelt. Dieses
Phänomen ist typisch für ganz Europa im Hochmittelalter,
wo im Zeichen einer bisher unbekannten Zunahme der Bevölkerung
bis dahin nur sporadisch, nicht dauerhaft oder überhaupt
nicht bewohnte Regionen mit eher kargen Böden und ungünstigen
Witterungsbedingungen wie der Böhmerwald, die Landschaften
um das Sudeten, Riesen und Altvatergebirge, wo die deutschen
Siedler sehr rasch die zahlenmäßig kleinen slavischen
Gruppen sprachlich und kulturell assimilierten. Das gelang durch
das Streben der letzteren einen analogen Rechtsstatus wie die
Deutschen zu erhalten und sich sehr stark an deren Lebensmodell
orientierten.
Ende des 19. Jahrhunderts: Spezifische
schwäbische zahlenmäßig sehr kleine politische
Elite entfaltet sich und hat in all ihren Strömungen bis
1944 große Schwierigkeiten, die eher unpolitisch und nicht
deutschnational ausgerichteten schwäbischen Bauern im Banat,
der schwäbischen Türkei, der Batschka, Syrmien und
dem Gebiet südlich von Sathmar zu mobilisieren. Magyarisierungsprozess
bzw. geistig-politische Ausrichtung auf Ungarn geht bis 1920
und zum Teil in veränderter Form auch danach weiter. Im
Vergleich zu den Siebenbürger Sachsen, oder den Sudetendeutschen
geringe Neigung weiter schwäbischer Bevölkerungskreise
sich der NS Bewegung anzunähern und diese zu adaptieren.
Nationale Spannungen zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen
im ländlichen Alltagsleben kaum vorhanden.
Konflikte ergaben sich eher aufgrund sozialer Gegensätze
auch unter Gleichsprachigen. Ökonomische Krisen führten
zu Auswanderung von einigen zehntausend Schwaben nach Amerika
besonders nach 1890 und nach 1918.
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