Karpatendeutsche (Slowakei, Oberungarn -
Zipser Sachsen, Hauerländer, Pressburger)
Der Begriff Karpatendeutsche wurde
von dem österreichischen Historiker aus der Bukowina Raimund
Friedrich Kaindl zu Beginn des 20. Jahrhunderts geprägt.
Er setzte sich nur sehr langsam nach den Grenzziehungen im Anschluß
an den I. Weltkrieg durch, zum Teil wurde erst nach der Flucht
und Vertreibung innerhalb der Vertriebenenorganisationen
Flächendeckend verbreite. Besonders die Zipser Sachsen
bewahrten immer eine spezifische Identität als eigenständiger
deutscher Stamm. Unter den Karpatendeutschen versteht man in
der Historiographie und Ethnologie die deutschen Bewohner in
den ehemals nieder- und oberungarischen Karpaten, dem Pressburger
Komitat, der heutigen Karpatenukraine und zum Teil auch der
zwischen Rumänien und der Ukraine geteilten Maramures.
Aus ethnologischer
Perspektive können auch die deutschen Streusiedlungen in
den galizischen und kleinpolnischen Teilen der Karpaten, die
dort im 18. und 19. Jahrhundert siedelten hinzugezählt
werden. Der Begriff Siedlungsinsel ist generell anachronistisch.
Zu allen Zeiten lebten die Deutschen in den nördlichen
Karpaten im engen wechselseitigen Austausch in allen Lebensbereichen
mit ihren slowakischen, ruthenischen, ungarischen u.a. Nachbarn,.
Sie wurden von letzteren auch nicht als "Gäste"
oder Fremdkörper betrachtet wie es in der nationalistischen
Geschichtsschreibung in der Tschechoslowakei und in der Slowakei
nach 1918 immer wieder versucht wurde zu belegen.
Der Begriff Karpatendeutsche ist somit ein Sammelbegriff für
6 in Bezug auf Konfession, Geschichte, Sozialordnung,
und Lebensmodelle völlig verschiedene deutsche Stämme
bzw. ethnographische Gruppen, die miteinander in der Regel nichts
oder sehr wenig zu tun hatten und teilweise bis in die Zeit
um 1930 kaum Kenntnis voneinander hatten bzw. kein Interesse
füreinander zeigten. Erst die Zugehörigkeit zur Tschechoslowakei
und die Einflussnahme von meist zunächst ortsfremden Agitatoren
der NS Bewegung (Reichsdeutsche, Sudetendeutsche, Deutschösterreicher)
schufen eine neue Situation, die nach wenigen Jahren in die
Katastrophe von Gewalt, Mord, Flucht, Deportation, und Vertreibung
mündete. 1930 lebten im slowakischen Teil der Tschechoslowakei
rund 155.000. Deutsche von denen nur eine kleine Gruppe von
vielleicht 5000 Personen 1944/45 nicht vertrieben wurde. Nach
1989 kann sie sich als Minderheit frei entfalten. Überalterung,
Fremd- und Selbstassimilation sowie die verstreuten Wohnorte
führen zum allmählichen Verschwinden dieser ethnischen
Kleingruppe in den nächsten Jahrzehnten.
1.Preßburger Deutsche:
Im Mittelalter bereits deutsche Besiedlung von Teilen des Preßburger
Komitats einschließlich der zeitweiligen ungarischen Haupt-
und Krönungsstadt Preßburg, (ung. Poszóny,
slow. Bratislawa). Ihre Herkunftsregion war meist der niederösterreichische
Raum.
Im Gefolge der verheerenden Türkenkriege Umwälzungen
innerhalb der gesamten Bevölkerung des Komitats
Im 17. und frühen 18. Jh. - zahlenmäßige Abnahme
auch der deutschen Bewohner.
18. Jahrhundert: neuerliche Einwanderung von Deutschen in das
Pressburger Komitat. Die Deutschen stellten noch 1880 rund zwei
Drittel der Bevölkerung Pressburgs, um 1910 noch rund 40
% und 1930 noch rund 28% der Stadtbevölkerung.
Der Rückgang erklärt sich durch Abwanderung infolge
der Grenzziehungen von 1919/1920, einer Zunnahme der Gesamtbevölkerung
vor allem durch Slowaken und eines allmählichen Assimalitionsprozesses
von Teilen der deutschen Bevölkerung an das ungarische
Ethnos. 1945 Totalvertreibung der Deutschen aus dem Gebiet des
ehemaligen Komitats Pressburg.
2. Kremnitz-Deutschprobener Sprachinsel
/ Das Hauerland:
Name Hauerland taucht erst nach 1930
auf. In mehrere ethnographische Gruppen geteilt. 1944 bestand
das Hauerland aus rund 25 Siedlungen mit überwiegendst
deutschsprachiger und katholischer Bevölkerung (ca. 40.000
Deutsche). Mehrzahl lebte in ethnisch sehr homogenen Siedlungen.
Verarmungs- und Abwanderungsprozess im 19. und 20. Jh..
Zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert Besiedlung der Region um
die Flüsse Gran und Neutra mit deutschen Hospites (Bergleute,
und mit dem Bergbauwesen verknüpfte Handwerksberufe) durch
die ungarischen Könige. Gründung der mit umfangreichen
Privilegien ausgestatteten Bergbaustädte Altsohl, Neusohl,
Kremnitz, Schemnitz usw..
Zwischen 14. und 16. Jahrhundert: politische, kulturelle und
ökonomische Blütezeit der deutschen Siedlungen, deren
Zahl wesentlich umfangreicher war als im 18., und 19. Jahrhundert.
Die Kriege zwischen Habsburgern, den Osmanen und den Fürsten
Siebenbürgens im 16., 17., und frühen 18. Jahrhundert,
sowie zahlreiche Seuchen verringerten die Zahl der Deutschen
Bevölkerung erheblich.
Erst nach dem Untergang Österreich Ungarns 1918 kam es
zu einer langsamen Nationalisierung der Deutschen dieser
Gegend. Viele schlossen sich aus sozialen gründen den Kommunisten
an, andere befürworteten eine Rückgliederung ihrer
Siedlungsgebiete an Ungarn. Erst nach ca. 1935 trägt die
von außen 8aus dem Sudetenland und dem III. Reich) kommende
deutschnationale Propaganda Früchte. Im Augenblick von
Nationalisierung, innerer Gleichschaltung trotz vergleichsweise
zahlreicher Verweigerungshaltung- und Widerstande seitens eines
Teils der Hauerländer erfolgen. Flucht und Vertreibung.
3.Die Zipser Sachsen:
In der ersten Hälfte des 13.
Jahrhunderts kam es zur Besiedlung des Poppertals, - südlich
der Hohen Tatra, der Hohen Magura und östlich der Niederen
Tatra sowie des slowakischen Erzgebirges gelegen - durch deutsche
Hospites die zum
Teil über Zwischenstationen in Schlesien einwanderten und
auf Kronland der ungarischen Könige angesiedelt wurden.
Das Gebiet in dem sie sich niederließen ist unter dem
Begriff Zips bekannt. Die Zipser Sachsen gründeten zahlreiche
Städte und Bergmannssiedlungen (Dobschau, Käsmark,
Leutschau, Göllnitz, Kirchdrauf, Untermetzenseifen, Deutschendorf
(Poprad)) In einer Reihe von Privilegien von seitens der ungarischen
Krone erlangten die Zipser Sachsen analog zu den Siebenbürger
Sachsen, den Kumanen und Szeklern für den größten
Teil ihres Siedlungsgebietes
spezifische rechtliche, wirtschaftliche und kirchliche Privilegien,
was auch die Entwicklung hin zu einem spezifischen deutschen
Neustamm und einer eigenständigen Regionalkultur ermöglichte.
13. - 16. Jahrhundert ökonomische Blütezeit der Zips,
die von zentraler Bedeutung etwa für die Münzprägung
im mittelalterlichen Königreich Ungarn wird. 1412 - 1769/71
sind ein Teil (die 14 Städte) der Zipser Sachsensiedlungen
an die Krone Polens verpfändet.
Bis ins frühe 18. Jahrhundert war das Siedlungsgebiet der
Deutschen in der Zips und in den umliegenden Komitaten (=
ungarischer Regierungsbezirk) umfangreicher als in der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts. Infolge der Kriege zwischen
dem Hause Habsburg, den Osmanen (Türkenkriege) und den
Aufständen der ungarischen Stände (Kuruzzenkriege)
wurde die Siedlungsgebiete der Zipser Sachsen besonders nach
zwischen ca. 1675 und 1711 schwer verwüstet. Slowakischsprachige
Siedler traten an die Stelle von Zipser Sachsen, Ungarn und
Ruthenen. Im 16. Jahrhundert traten die Zipser Sachsen nahezu
geschlossen zum Luthertum über. Die zum Teil gewaltsam
herbeigeführte Gegenreformation, die durch die österreichischen
Habsburger gestützt wurde führte zu einer allmählichen
Rekatholisierung eines Teils der Zipser Sachsen im 18. Jahrhundert.
Im 18. und 19. Jahrhundert kam es zu einer
langsamen sprachlichen Assimilation hin zu den slowakischen
Dialekten in einigen Dörfern, während die städtisch-
bürgerlich ausgerichteten sozialen Schichten sich als Teil
der modernen ungarischen Nation verstanden und sich im Falle
eines beruflich bedingten Ortswechsels etwa nach Budapest dementsprechend
assimilierten. Die wirtschaftliche
Unterentwicklung Nordostungarns im 19. Jahrhundert und damit
auch der Zips führten zu einer Auswanderungswelle
nach Amerika.
Nur sehr langsam akzeptierten die Zipser Sachsen nach 1920 die
Loslösung aus Ungarn und die Eingliederung in die Tschechoslowakei.
Erst in der Zwischenkriegszeit kam es zu einer allmählichen
Hinwendung eines Teiles der Zipser Sachsen an die moderne deutsche
Nation und das Deutsche Reich, die sich unter massiven Einfluß
reichsdeutscher NS Propaganda in der Zeit der slowakischen Eigenstaatlichkeit
1938/39-1945 verstärkte. Nachdem bereits zahlreiche Zipser
Sachsen Opfer von Massakern in Zuge des Aufstandes slowakischer
Kommunisten und Nationalisten geworden waren (Herbst 1944),
kam es nach der Eroberung der Zips durch die Rote Armee im Winter
1945 zur nahezu vollständigen Vertreibung der Zipser Sachsen
1945-1946 auf Anordnung der Prager Regierung und der Bewilligung
durch die Großmächte. Nationale Gegensätze zwischen
Zipser Sachsen und der slowakischen Mehrheitsbevölkerung
der Zips existierten bis in die Kriegsjahre hinein nicht.
4. Streusiedlungen insbesondere in
städtisch geprägten Siedlungen die bis ins 20. Jahrhundert
existierten
Zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert kam es zur Ansiedlung von
deutschen Hospites in zahlreiche städtische Zentren
Ober- und Niederungarns. Nichtdeutsch Bevölkerungsgruppen
in diesen Siedlungen erhielten ebenfalls deutsches Stadtrecht
von den ungarischen Königen verliehen, das nicht automatisch
an deutsche Siedler gebunden war.
Diese Städte (fast oder gänzlich) ohne deutschsprachliche
dörfliche Siedlungen im Umland verloren im Zuge von Reformation
und Gegenreformation, Türkenkriege und den Kriegen zwischen
Habsburgern und ungarischen Ständen, sowie Epidemien und
Assimilation (besonders an das ungarische Bürgertum) ihre
deutsche Bevölkerungsschicht im 17. und 18. Jahrhundert.
Als Beispiele für diese Städte sind zu nennen: Kaschau,
Beregszáz, Tecsö, Visk, Sighet, Bartfeld, Preschau,
Klausenburg, Sillein, Rosenberg usw.). Kleine deutsche Minderheiten
existierten in diesen Städten zum Teil bis zur Vertreibung
1944/45, sie setzte sich aber zum größten Teil aus
Personen zusammen die im 18. und 19. Jahrhundert aus den unterschiedlichsten
deutschen Siedlungsgebieten eingewandert waren.
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