Bayerische Landesausstellung 2017
Themen
Die Bayerische Landesausstellung 2017 präsentiert ein Panorama der Zeit um und nach 1500, das alle gesellschaftlichen Schichten in den Blick nimmt. So steht das Wirken Martin Luther auf das Heilige Römische Reich deutscher Nation, insbesondere in Süddeutschland, im Mittelpunkt. Thematisiert werden die sozialen, wirtschaftlichen, politischen und künstlerischen Traditionen und Umbrüche, welche die Epoche vom späten 15. Jahrhundert bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts prägten.
Ausstellung auf der Veste Coburg
„Ritter, Bauern, Lutheraner“ – in vielfacher Weise ist die Veste
Coburg mit dem Thema verknüpft, als Landesfestung Kursachsens, als
Fürstenresidenz, als Aufenthaltsort Martin Luthers und als
Luther-Gedenkstätte. Die Veste Coburg wird so zum größten Exponat der
Landesausstellung.
Einführender Film (Luther-Kapelle)
Die filmisch-multimediale Einführung in die Ausstellung wird in der
Luther-Kapelle gezeigt. Der an der Stelle der alten Burgkapelle im
Fürstenbau Anfang des 20. Jahrhunderts errichtete Kirchenbau wurde in
vielen Bau- und Ausstattungsdetails als typisch lutherischer
Gottesdienstraum konzipiert und bildet insofern den passenden Rahmen
zu der vorgestellten Thematik.
Die Säulen der Welt (Steinerne Kemenate, Erdgeschoss)
Der Ausstellungsrundgang beginnt in einem der ältesten Trakte der
Veste Coburg, in der Steinernen Kemenate. In diesen mächtigen
Substrukturen, in massiven Mauern, unter schweren Gewölben, auf denen
die oberen Stockwerke lasten, werden die Grundlagen der Welt um 1500
betrachtet ─ eine heute recht fern erscheinende Weltordnung, die sich
auf Gott und die Gemeinschaft der Kirche gründete. Deutlich wird hier
auch die besondere Rolle Coburgs im Heiligen Römischen Reich: Die
Stadt, das „Schaufenster Kursachsens“ nach Süden, war damals ein
zentral gelegenes Handels- und Nachrichtenzentrum, eng verbunden
sowohl mit Nürnberg als auch mit dem mitteldeutschen Raum.
Bauer, Bürger, Bettelmann – das Fundament des Lebens
Jenseits gelehrter Gesellschaftsordnungen vollzog sich das Leben der
Menschen, das sowohl auf dem Land wie in der Stadt von Vielfalt
geprägt war. Auch im verhältnismäßig städtereichen mittel- und
südwestdeutschen Raum hingen die Lebenschancen wesentlich von der
agrarischen Welt ab. Die Bauern repräsentierten den Untertanenstand
schlechthin; doch bot die ländliche Gesellschaft des 16. Jahrhunderts
bereits ein sehr differenziertes Bild.
Städte um 1500 – Seelenheil im Angebot
Die
Keimzelle für wirtschaftlichen Aufschwung und Innovationen lag in den
Städten. Dem wachsenden Angebot des städtischen Markts steht das
ungemein vielfältige „Angebot“ für das Seelenheil der Gläubigen
gegenüber. Fromme Stiftungen, Bettelorden und Spitäler, die
Stadtpfarrkirche als Ort der Lebenden und der Toten – Klerus und
Kirche boten zahlreiche Gelegenheiten, mit guten Werken für das eigene
Seelenheil und das der Vorfahren zu sorgen. Einen unvermittelten
„Einbruch“ in diese alte Welt bringen neue Ideen und Sichtweisen, die
rasche Verbreitung in Flugschriften finden. Anfang 1518 wird in
Nürnberg Martin Luthers „Sermon von ablaß und gnade“ gedruckt. Es ist
die vereinfachte und in deutscher Sprache abgefasste Version von
Luthers 95 Thesen gegen den Ablasshandel, die er Ende 1517 an den
Erzbischof von Mainz geschickt hatte – jener Schrift, die Anlass des
Reformationsjubiläums ist.
Ritter, Tod und Teufel (Große Hofstube)
Werden
im Erdgeschoß die Grundlagen des materiellen Lebens präsentiert, so
geht es im Stockwerk darüber in der „Großen Hofstube“, einem der
prächtigsten spätgotischen Profanräume der Zeit kurz nach 1500, um die
großen Gegensätze der Zeit, um den Zusammenprall der neuen Ideen mit
der gesellschaftlichen Realität. Die Unsicherheit über den rechten Weg
zum Seelenheil brachte unterschiedlichste Formen der Religiosität
hervor. Im bunten Adelstheater des Turnierwesens lebten prächtige
Waffen und Rüstungen, Schaugepränge und ein rückwärtsgewandtes
Gesellschaftsideal nach, während die Wirklichkeit der Reichsritter und
des landsässigen Adels bereits von Abstieg und Bedeutungslosigkeit
bedroht war. Als aufstrebende Macht etablierten sich die
Reichsfürsten, in deren Territorien sich eine neue Staatlichkeit
entwickelte.
Die „neue Zeit“, das „Jahrhundert der Wissenschaften“, das der Ritter und Literat Ulrich von Hutten pathetisch feierte, war geprägt von den Idealen humanistischer Gelehrsamkeit. Hier ist auch der Ort in der Ausstellung, um die entscheidenden Grundzüge von Luthers Lehre vorzustellen, seine Bibelübersetzung und seine weitverbreiteten religionspraktischen Schriften. Die Verbindung von Theologie und großer Politik wurde in der berühmten Begegnung Martin Luthers mit Kaiser Karl V. auf dem Wormser Reichstag 1521 für alle Welt sinnfällig. Hier soll allerdings nicht ein heroisches Luther-Bild im Sinn der „protestantischen Meistererzählung“ des 19. Jahrhunderts fortgeschrieben werden; vielmehr werden zwei grundsätzlich gegensätzliche Konzepte gegenübergestellt, deren Konfrontation den Verlauf der Reichsgeschichte wesentlich beeinflussen sollte. Im „Deutschen Bauernkrieg“ (1525) bezogen sich die Forderungen der Bauern direkt auf Luther und seine Schrift von der Freiheit eines Christenmenschen ─ doch dieser griff die Aufstände des „gemeinen Mannes“ als Aufruhr gegen die gottgewollte Ordnung scharf an.
Bewahren und verteidigen (Luther-Zimmer)
Emotionaler Kern der Ausstellung sind die beiden Räume neben der
„Großen Hofstube“, die Martin Luther während des Augsburger Reichstags
1530 auf der Coburger Veste bewohnte. Neben der Präsentation
originaler Briefe und Werke wird eine mediale Schriftinszenierung die
Situation Luthers auf der Veste verdeutlichen: zwischen deprimierender
Einsamkeit und überschießendem Tätigkeitsdrang angesichts der
entscheidenden Reichstagsverhandlungen.
Ein Wehrgang führt von den
Luther-Zimmern hinüber in den Carl-Eduard-Bau. Hier geht es um die
„Medienrevolution“, die publizistische Aktivierung der interessierten
Kreise auf Seiten der neuen Lehre – und deren Gegner. Zu den
Druckerzeugnissen traten geistliche Lieder als wichtigstes
Propagandainstrument.
Glauben, Gemeinschaft, Konfessionen (Carl-Eduard-Bau,
Obergeschoss)
Ausgehend von der beim Augsburger Reichstag
von 1530 übergebenen „Confessio Augustana“, geht es hier um die
Fragen: Wie bilden sich die Konfessionen heraus, woran lassen sich die
Unterschiede festmachen, wo gibt es noch Gemeinsamkeiten? Die Besucher
müssen sich – wie die Zeitgenossen – für einen Weg entscheiden,
erleben aber, dass es neben Trennendem auch Verbindendes gibt. Auf der
„evangelischen“ Seite finden sich Beispiele für die praktische
Umsetzung des neuen Glaubens in fürstlichen Territorien und
Reichsstädten. Auf der „altgläubigen“ Seite steht die Mehrheit der
Reichsstände, die nicht zu Luther hielt.
Konfrontation mit dem Herzogtum Bayern
Ein
Paradebeispiel ist das Herzogtum Bayern, das sich gemeinsam mit der
Reichskirche und den Habsburgern für die Gegenreformation engagierte.
Dass Konflikte auch nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555
keineswegs aus der Welt geschafft waren, machen markante Einzelfälle
deutlich: so etwa die Konfrontation zwischen dem katholischen
Herzogtum Bayern und der evangelischen Enklave Ortenburg, die
Auseinandersetzungen zwischen Rat und Landesherren in Amberg oder die
Grumbach’schen Händel als Beispiel für die Verquickung von
Landesherrschaft, Reichs- und Konfessionspolitik. Auf dem Gebiet des
heutigen Freistaats Bayern finden sich Beispiele für alle
konfessionellen Ausrichtungen: Katholiken, Lutheraner, Calvinisten,
aber auch Täufer und andere „Schwärmer“.
Von der Freiheit eines Christenmenschen
Und
Coburg? Der halbjährige Aufenthalt des Reformators auf der Veste ließ
Coburg zu einem Luther-Gedenkort werden – manche kuriose, manche
ernsthafte Aneignung lässt sich hier zeigen. Luther wurde immer wieder
neu instrumentalisiert. Hier kommen auch Luthers Antijudaismus und die
Rezeption seiner „Judenschriften“ durch die Nationalsozialisten in den
Blick.
Abschließend wird die Gleichsetzung von Reformation und
Freiheit im Rahmen der Luther-Rezeption thematisiert. Oft wird
übersehen, dass Luthers Freiheitsbegriff mit heutigen Vorstellungen
von Freiheit kaum etwas gemeinsam hat. Ausgehend von diesen existenziellen Themen,
wird der Bogen zurück auf die vor 500 Jahren aktuellen Fragen
geschlagen.
Begleitausstellung in der Kirche St. Moriz
Über die Ausstellung in den Kunstsammlungen der Veste Coburg hinaus
gehören die Außenbereiche der Veste, der Weg in die Stadt und die
evangelisch-lutherische Kirche St. Moriz zum Gesamterlebnis der
Coburger Landesausstellung. In St. Moriz wird eine ergänzende
Ausstellung präsentiert, die sich nicht auf die Zeit Luthers
beschränkt. Ausgehend vom historischen Ort steht zunächst um die
Reformation in Coburg und im Coburger Land im Mittelpunkt, die bereits
1524 durch den Prediger Balthasar Düring eingeführt wurde. In St.
Moriz hielt Martin Luther zu Beginn seines Coburger Aufenthalts 1530
sieben Predigten, die hier vorgestellt werden. Ein anderes Thema
bietet die für die jeweilige Konfession spezifische Architektur von
Kirchenbauten und - innenräumen. Gerade das konfessionell vielfältige
Franken bietet hierfür viele markante Beispiele.
Wesentlich für
die Durchsetzung der neuen Lehre war auch die Musik in Gestalt des
frommen Lieds – zu Beginn häufig ein Kampflied. Liederbücher schufen
die Grundlage für den besonderen Reichtum der protestantischen
Kirchenmusik.
Und nicht zuletzt sollen aktuelle Fragen zum
Reformationsjubiläum beantwortet werden, die aus Diskussionen im
Rahmen der Luther-Dekade hervorgegangen sind. Was ist eigentlich heute
aktuell, spielt dabei die Kirche noch eine Rolle? Diese Themen wurden
durch intensive Diskussionen in der Kirchengemeinde St. Moriz selbst
herausgearbeitet. Die Kirche St. Moriz ist kein Museum, sie bleibt
auch während der Ausstellung Gottesdienstraum und Ort für Konzerte.
Gerade die Verbindung von Ausstellung, evangelisch-lutherischem
Gottesdienst und Kirchenmusik ermöglicht ein authentisches Erlebnis in
einem der architektonisch besonders interessanten Kirchenräume
Nordbayerns.