Alter Adel - neuer Adel. Herrschaft, Politik und adeliges Leben bis zum 18. Jahrhundert
Die Übernahme von Herrschaft über
Land und Leute machte den Adelsstand zur wichtigsten gesellschaftlichen
Gruppe, die staatstragende Funktionen in Kirche, Militär und
herzoglicher Verwaltung besaß. Der bayerische Adel gliederte sich um
1500 in drei Gruppen: die vom Kaiser privilegierte Schicht der alten
Hochfreien mit den Grafen und Freiherren, der höhere Adel der Herren
und der niedere Adel der Ritter. Auch wenn die Landesfreiheit von 1508
als der Höhepunkt adeliger ständischer Macht in Bayern gilt, zeichnete
sich zu Beginn der Frühen Neuzeit bereits die Krise des Adels ab: Der
Schutz durch adelige Ritter wurde mit den Söldnerheeren und den neuen
Waffentechniken hinfällig. Der Adel musste sich neu orientieren. Er
drängte zunehmend in die herzoglich/kurfürstliche Bürokratie und
konkurrierte dort mit bürgerlichen und durch ein Universitätsstudium
qualifizierten Juristen, die häufig nobilitiert wurden. Der alte Adel
fürchtete um seine ständische Exklusivität und versuchte sich in der
Edelmannsfreiheit von 1557 vom neuen Geldadel abzusetzen.
Konflikte zwischen Adel und Landesherren um Macht und Einfluss blieben
nicht aus. Eine tief greifende Auseinandersetzung entzündete sich am
religiösen Bekenntnis: Mitglieder des altbayerischen Adels wandten sich
der Lehre Luthers zu, der Landesherr blieb katholisch. Dieses Mal
erwies sich der Herzog als der Stärkere und setzte die Rekatholisierung
des Landes durch.
Der Dreißigjährige Krieg brachte neue Adelige hervor: Alte
Adelsfamilien verarmten, im Krieg reich gewordene Offiziere und Beamte
stiegen als neuer Adel auf.
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts lebten in Bayern 375 Adelsgeschlechter.
Zwischen 1600 und 1700 wurden 82 Familien nobilitiert, dazu kamen 77
ausländische Adelsgeschlechter nach München, während im gleichen
Zeitraum über 100 Adelsgeschlechter verarmten oder ausgestarben.
Außer politischen Vorrechten besaß der bayerische Adel eine Reihe von
persönlichen Privilegien, wie die Bevorzugung bei der Besetzung von
Staats- und Hofämtern. Seit 1508 waren alle höheren Ämter der
Landesverwaltung dem einheimischen Adel vorbehalten. Eine weitere
Perspektive auf Versorgung bot die Kirche; zahlreiche bayerische
Adelige saßen in den Domkapiteln der an Bayern angrenzenden Diözesen.
Aber die hauptsächliche wirtschaftliche Basis vieler adeliger Familien
waren und sind bis heute Grund- und Waldbesitz. Eine in Altbayern
vorherrschende Rechtsform der Herrschaft über Land und Leute waren die
Hofmarken. Sie besaßen auch das Recht der niederen Gerichtsbarkeit.
"Ich bin, Gottlob! altadelig, // Jedoch mein Sohn, das ärgert mich, //
Zählt einen Ahnen mehr als ich." (Friedrich Haug, Epigramme. Spiele, 2,
43)
Familie und Herkunft sind für den Adel von immenser Bedeutung: je älter
die Familie, desto größer ihr Ansehen. Für den Eintritt in verschiedene
Institutionen (Ritterorden, Domkapitel) musste man eine bestimmte
Anzahl adeliger Vorfahren nachgeweisen können.
Der Adel genoss das Privileg der Freizeit. Nicht Arbeit, sondern Muße
in Würde (otium cum dignitate) sollte adeliges Leben bestimmen. Dazu
gehörte als wesentlicher Bestandteil die Jagd.
Detail aus einem gestickten Band mit sechzig altbayerischen und
fränkischen Wappen, 1596
Bayerisches Nationalmuseum
München
Der Weg in die Moderne
Aufklärung und Französische Revolution hatten die Egalisierung der
Gesellschaft zum Ziel. Die Rechte des Adels wurden geschmälert,
gleichzeitig erweiterten sich die Möglichkeiten in den Adelsstand
aufzusteigen. Die umfassenden Reformen und territorialen Veränderungen
nach der Französischen Revolution brachten große Bewegung in die
altbayerische Adelslandschaft, die nun ihre konfessionelle Einheit
verlor. Mediatisierung und Säkularisation bedeuteten für alle Adeligen
in Bayern, zu dem nun auch Franken und Schwaben gehörten, große
Verluste.
Adelsmatrikel und Adelsedikt legten 1808 und 1818 den Kreis der
bayerischen adeligen Familien fest. 1822 waren von den fast 1400
Familien in Bayern 149 Grafenhäuser, 481 freiherrliche und 740 sonstige
Adelshäuser. Die ehemals reichsunmittelbaren Häuser, z.B. die Familien
Castell, Fugger, Löwenstein, Oettingen, Schönborn und Thurn und Taxis,
konnten trotz des Verlusts der Selbstständigkeit eine Reihe von
Herrschafts- und Ehrenrechten behaupten.
Das Reformprogramm des bayerischen Ministers Maximilian Joseph von
Montgelas brach das Adelsmonopol für den höheren Staatsdienst und hob
die Steuerbefreiungen für den Adel auf. Bis 1848 wurden auch die
adelige Gerichtsbarkeit, die Grundherrschaft und der unbezahlte
Frondienst der Bauern für die Grundherren abgeschafft.
Doch trotz aller Privilegienverluste hat der Adelsstand nichts an
seiner Attraktivität verloren - im Gegenteil: die Erhebung in den
Adelsstand war beim Bürgertum begehrt wie nie zuvor. Die Zahl adeliger
Familien ohne Grundbesitz stieg im Lauf des 19. Jahrhunderts stark an.
Eine bayerische Besonderheit war der Personaladel, der nicht vererbbar
war. Er war mit der Verleihung des Militär-Max-Joseph-Ordens oder des
bayerischen Zivilverdienstordens verbunden.
Der Adel ist abgeschafft – es lebe
der Adel
Am 28. März 1919 wurde der Adel per Gesetz „abgeschafft“. Die Weimarer
Verfassung und die bayerische Verfassung ließen sowohl den hohen als
auch den niederen Adelstitel nur noch als Namensbestandteil gelten.
Gleichwohl lebt „der Adel“ weiter, seine Bedeutung in Politik,
Wirtschaft und Kultur ist auch im 20. Jahrhundert ungebrochen. Am Ende
der Ausstellung zeigen unterschiedliche Biografien die Bandbreite des
Adels im 20. Jahrhundert: Was waren adelige Existenzmöglichkeiten nach
dem Ende des Ersten Weltkriegs? Wie standen die Vertreter des Adels zur
NS-Diktatur und wie gestalten sich adeliges Selbstverständnis und
adelige Lebenswege heute?
Der Nürnberger Großindustrielle und Schlossherr von Hohenaschau
Theodor Freiherr von Cramer-Klett (1817 - 1884) mit dem
bayerischen Zivilverdienstorden, Gemälde von Franz von Lenbach
Städtische Museen Nürnberg
Franz Graf von Pocci (1807-1876), Zeremonienmeister König Ludwigs
I., Hofmusikintendant und Oberstkämmerer. Er schuf die Figur des
Kasperl und karikierte auch seine adeligen Standesgenossen, z. B.
mit dem "Georgiritter im Ornat zu Pferd"
Bayerische Staatsbibliothek
München
Der turnierfähige Adel gehörte zur höchsten sozialen Gruppe im
Herzogtum Bayern. Christoph Graf zu Ortenburg im Turnierbuch Herzog
Wilhelms IV.
Bayerische Staatsbibliothek
München
Religiös motivierte Stiftungen sind ein wichtiger Aspekt adeliger
Kultur. Preysing-Madonna vom Altar der Preysing-Begräbniskapelle in
Kloster Seligenthal, frühes 14. Jhd.
Cistercienserinnen-Abtei
Seligenthal, Landshut
Ladislaus von Frauenberg, Graf zu Haag (1522-1566), Hans Mielich, 1557
Haus Liechtenstein, Fürstliche
Sammlungen
Hofdienste waren beim altbayerischen Adel begehrt. Franz Johann
Hieronymus von Spreti als Edelknabe des bayerischen Kurprinzen Karl
Albrecht. Der Knabe hält ein Kissen mit den kurfürstlichen Insignien,
dem Kurhut samt Orden vom Goldenen Vlies, um 1703
Privatbesitz
Stammbaum der Grafen von Törring aus der Stammesbeschreibung von Prey,
Bd 3: Caspar von Törring zum Stein,1724
Bayerische Staatsbibliothek
München