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Rundgang Rosenheim

Im Mittelalter entstand "der Adel" als soziale Kategorie. Die Lex Baiuvariorum beschreibt den Aufbau der frühmittelalterlichen Gesellschaft und nennt die fünf großen Adelssippen der Zeit um 800. Im Lauf des Hochmittelalters entstand eine bayerische Adelslandschaft, die nun auch die Ministerialen als soziale Aufsteiger einschloss. Bedeutende Adelsgeschlechter starben im hohen und späten Mittelalter aus, Besitzungen wechselten ihre Eigentümer. Die seit 1180 mit dem Herzogtum Bayern belehnten Wittelsbacher waren Nutznießer dieser Mobilitätsprozesse.

Alter Adel - neuer Adel. Herrschaft, Politik und adeliges Leben bis zum 18. Jahrhundert

Die Übernahme von Herrschaft über Land und Leute machte den Adelsstand zur wichtigsten gesellschaftlichen Gruppe, die staatstragende Funktionen in Kirche, Militär und herzoglicher Verwaltung besaß. Der bayerische Adel gliederte sich um 1500 in drei Gruppen: die vom Kaiser privilegierte Schicht der alten Hochfreien mit den Grafen und Freiherren, der höhere Adel der Herren und der niedere Adel der Ritter. Auch wenn die Landesfreiheit von 1508 als der Höhepunkt adeliger ständischer Macht in Bayern gilt, zeichnete sich zu Beginn der Frühen Neuzeit bereits die Krise des Adels ab: Der Schutz durch adelige Ritter wurde mit den Söldnerheeren und den neuen Waffentechniken hinfällig. Der Adel musste sich neu orientieren. Er drängte zunehmend in die herzoglich/kurfürstliche Bürokratie und konkurrierte dort mit bürgerlichen und durch ein Universitätsstudium qualifizierten Juristen, die häufig nobilitiert wurden. Der alte Adel fürchtete um seine ständische Exklusivität und versuchte sich in der Edelmannsfreiheit von 1557 vom neuen Geldadel abzusetzen.

Konflikte zwischen Adel und Landesherren um Macht und Einfluss blieben nicht aus. Eine tief greifende Auseinandersetzung entzündete sich am religiösen Bekenntnis: Mitglieder des altbayerischen Adels wandten sich der Lehre Luthers zu, der Landesherr blieb katholisch. Dieses Mal erwies sich der Herzog als der Stärkere und setzte die Rekatholisierung des Landes durch.

Der Dreißigjährige Krieg brachte neue Adelige hervor: Alte Adelsfamilien verarmten, im Krieg reich gewordene Offiziere und Beamte stiegen als neuer Adel auf.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts lebten in Bayern 375 Adelsgeschlechter. Zwischen 1600 und 1700 wurden 82 Familien nobilitiert, dazu kamen 77 ausländische Adelsgeschlechter nach München, während im gleichen Zeitraum über 100 Adelsgeschlechter verarmten oder ausgestarben.

Außer politischen Vorrechten besaß der bayerische Adel eine Reihe von persönlichen Privilegien, wie die Bevorzugung bei der Besetzung von Staats- und Hofämtern. Seit 1508 waren alle höheren Ämter der Landesverwaltung dem einheimischen Adel vorbehalten. Eine weitere Perspektive auf Versorgung bot die Kirche; zahlreiche bayerische Adelige saßen in den Domkapiteln der an Bayern angrenzenden Diözesen.

Aber die hauptsächliche wirtschaftliche Basis vieler adeliger Familien waren und sind bis heute Grund- und Waldbesitz. Eine in Altbayern vorherrschende Rechtsform der Herrschaft über Land und Leute waren die Hofmarken. Sie besaßen auch das Recht der niederen Gerichtsbarkeit.

"Ich bin, Gottlob! altadelig, // Jedoch mein Sohn, das ärgert mich, // Zählt einen Ahnen mehr als ich." (Friedrich Haug, Epigramme. Spiele, 2, 43)
Familie und Herkunft sind für den Adel von immenser Bedeutung: je älter die Familie, desto größer ihr Ansehen. Für den Eintritt in verschiedene Institutionen (Ritterorden, Domkapitel) musste man eine bestimmte Anzahl adeliger Vorfahren nachgeweisen können.

Der Adel genoss das Privileg der Freizeit. Nicht Arbeit, sondern Muße in Würde (otium cum dignitate) sollte adeliges Leben bestimmen. Dazu gehörte als wesentlicher Bestandteil die Jagd.

Detail aus einem gestickten Band mit sechzig altbayerischen und fränkischen Wappen, 1596
Detail aus einem gestickten Band mit sechzig altbayerischen und fränkischen Wappen, 1596

Bayerisches Nationalmuseum München


Der Weg in die Moderne

Aufklärung und Französische Revolution hatten die Egalisierung der Gesellschaft zum Ziel. Die Rechte des Adels wurden geschmälert, gleichzeitig erweiterten sich die Möglichkeiten in den Adelsstand aufzusteigen. Die umfassenden Reformen und territorialen Veränderungen nach der Französischen Revolution brachten große Bewegung in die altbayerische Adelslandschaft, die nun ihre konfessionelle Einheit verlor. Mediatisierung und Säkularisation bedeuteten für alle Adeligen in Bayern, zu dem nun auch Franken und Schwaben gehörten, große Verluste.

Adelsmatrikel und Adelsedikt legten 1808 und 1818 den Kreis der bayerischen adeligen Familien fest. 1822 waren von den fast 1400 Familien in Bayern 149 Grafenhäuser, 481 freiherrliche und 740 sonstige Adelshäuser. Die ehemals reichsunmittelbaren Häuser, z.B. die Familien Castell, Fugger, Löwenstein, Oettingen, Schönborn und Thurn und Taxis, konnten trotz des Verlusts der Selbstständigkeit eine Reihe von Herrschafts- und Ehrenrechten behaupten.

Das Reformprogramm des bayerischen Ministers Maximilian Joseph von Montgelas brach das Adelsmonopol für den höheren Staatsdienst und hob die Steuerbefreiungen für den Adel auf. Bis 1848 wurden auch die adelige Gerichtsbarkeit, die Grundherrschaft und der unbezahlte Frondienst der Bauern für die Grundherren abgeschafft.

Doch trotz aller Privilegienverluste hat der Adelsstand nichts an seiner Attraktivität verloren - im Gegenteil: die Erhebung in den Adelsstand war beim Bürgertum begehrt wie nie zuvor. Die Zahl adeliger Familien ohne Grundbesitz stieg im Lauf des 19. Jahrhunderts stark an. Eine bayerische Besonderheit war der Personaladel, der nicht vererbbar war. Er war mit der Verleihung des Militär-Max-Joseph-Ordens oder des bayerischen Zivilverdienstordens verbunden.

Der Adel ist abgeschafft – es lebe der Adel

Am 28. März 1919 wurde der Adel per Gesetz „abgeschafft“. Die Weimarer Verfassung und die bayerische Verfassung ließen sowohl den hohen als auch den niederen Adelstitel nur noch als Namensbestandteil gelten. Gleichwohl lebt „der Adel“ weiter, seine Bedeutung in Politik, Wirtschaft und Kultur ist auch im 20. Jahrhundert ungebrochen. Am Ende der Ausstellung zeigen unterschiedliche Biografien die Bandbreite des Adels im 20. Jahrhundert: Was waren adelige Existenzmöglichkeiten nach dem Ende des Ersten Weltkriegs? Wie standen die Vertreter des Adels zur NS-Diktatur und wie gestalten sich adeliges Selbstverständnis und adelige Lebenswege heute?

Der Nürnberger Großindustrielle und Schlossherr von Hohenaschau Theodor Freiherr von Cramer-Klett (1817 - 1884) mit dem bayerischen Zivilverdienstorden, Gemälde von Franz von Lenbach
Der Nürnberger Großindustrielle und Schlossherr von Hohenaschau Theodor Freiherr von Cramer-Klett (1817 - 1884) mit dem bayerischen Zivilverdienstorden, Gemälde von Franz von Lenbach

Städtische Museen Nürnberg

Franz Graf von Pocci (1807-1876), Zeremonienmeister König Ludwigs I., Hofmusikintendant und Oberstkämmerer. Er schuf die Figur des Kasperl und karikierte auch seine adeligen Standesgenossen, z. B. mit dem "Georgiritter im Ornat zu Pferd"
Franz Graf von Pocci (1807-1876), Zeremonienmeister König Ludwigs I., Hofmusikintendant und Oberstkämmerer. Er schuf die Figur des Kasperl und karikierte auch seine adeligen Standesgenossen, z. B. mit dem "Georgiritter im Ornat zu Pferd"

Bayerische Staatsbibliothek München

Ausstellungsorte
Rundgang Rosenheim
Rundgang Aschau

 

Der turnierfähige Adel gehörte zur höchsten sozialen Gruppe im Herzogtum Bayern. Christoph Graf zu Ortenburg im Turnierbuch Herzog Wilhelms IV.
Der turnierfähige Adel gehörte zur höchsten sozialen Gruppe im Herzogtum Bayern. Christoph Graf zu Ortenburg im Turnierbuch Herzog Wilhelms IV.

Bayerische Staatsbibliothek München

Religiös motivierte Stiftungen sind ein wichtiger Aspekt adeliger Kultur. Preysing-Madonna vom Altar der Preysing-Begräbniskapelle in Kloster Seligenthal, frühes 14. Jhd.
Religiös motivierte Stiftungen sind ein wichtiger Aspekt adeliger Kultur. Preysing-Madonna vom Altar der Preysing-Begräbniskapelle in Kloster Seligenthal, frühes 14. Jhd.

Cistercienserinnen-Abtei Seligenthal, Landshut

Ladislaus von Frauenberg, Graf zu Haag (1522-1566), Hans Mielich, 1557
Ladislaus von Frauenberg, Graf zu Haag (1522-1566), Hans Mielich, 1557
Haus Liechtenstein, Fürstliche Sammlungen

Hofdienste waren beim altbayerischen Adel begehrt. Franz Johann Hieronymus von Spreti als Edelknabe des bayerischen Kurprinzen Karl Albrecht. Der Knabe hält ein Kissen mit den kurfürstlichen Insignien, dem Kurhut samt Orden vom Goldenen Vlies, um 1703
Hofdienste waren beim altbayerischen Adel begehrt. Franz Johann Hieronymus von Spreti als Edelknabe des bayerischen Kurprinzen Karl Albrecht. Der Knabe hält ein Kissen mit den kurfürstlichen Insignien, dem Kurhut samt Orden vom Goldenen Vlies, um 1703

Privatbesitz

Stammbaum der Grafen von Törring aus der Stammesbeschreibung von Prey, Bd 3: Caspar von Törring zum Stein,1724
Stammbaum der Grafen von Törring aus der Stammesbeschreibung von Prey, Bd 3: Caspar von Törring zum Stein,1724

Bayerische Staatsbibliothek München