Bayern und Bismarck
"Bayern ist vielleicht das einzige deutsche Land, dem es durch
materielle Bedeutung, durch die bestimmt ausgeprägten Stammeseigentümlichkeiten
und durch die Begabung seiner Herrscher gelungen ist, ein wirkliches
und in sich selbst befriedigtes Nationalgefühl auszubilden."
(Bismarck an den preußischen Gesandten in München, 1865)
Mit der Gründung des
Deutschen Reiches wandelte sich das Bild Bismarcks in der Öffentlichkeit.
Aus dem kritisierten Befürworter von "Eisen und Blut"
wurde der verehrte "Reichsschmied", der Nord und Süd
zusammengefügt hatte.
Auch in Bayern machten die
Reichsfreunde den Kanzler zur nationalen Kultfigur. Über der Gründung
des kleindeutschen Reichs und dessen Großmachtstellung trat in
den Hintergrund, dass es Bismarck in erster Linie um die Führungsrolle
Preußens gegangen war. König Ludwig II. stilisierte Bismarck
zum Hüter des "föderativen Prinzips" in Deutschland
und stellte ihm bei Kuraufenthalten in Bad Kissingen Kutschen zur Verfügung.
Entscheidungen der bayerischen Regierung berücksichtigten die Befindlichkeiten
des nervösen Reichskanzlers, und der preußische Gesandte
von Werthern konnte, nach Bismarcks Worten, in München "wie
ein Proconsul" schalten und walten. Zu Bismarcks 70. Geburtstag
organisierte die Münchner Künstlerschaft 1885 ein imposantes
Huldigungsfest auf dem Königsplatz in München.
Die katholisch-monarchistischen
Kreise hingegen beharrten lange auf ihrer ablehnenden Haltung. Als ausgerechnet
am Starnberger See - in dem König Ludwig II. 1886 ertrunken war
- 1890 ein Bismarck-Turm geplant wurde, empörte sich eine katholische
Zeitung: Bismarck habe schließlich Schuld am Krieg 1866, am Kulturkampf
und am "tragischen Tod" des Königs. Sie gab damit einer
in Bayern weit verbreiteten Meinung Ausdruck. Die Planung dieses Turms
- des einzigen frühen Bismarck-Denkmals in Altbayern - just in
dem Jahr, als Bismarck vom Kaiser entlassen wurde, war aber nicht nur
Ausdruck der Bismarck-Verehrung liberaler hauptstädtischer Kreise.
In ihr äußerte sich auch eine reichsloyale Opposition gegen
Kaiser Wilhelm II., der auf bayerische Empfindlichkeiten wenig Rücksicht
nahm.
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